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Integration statt Selektion

Eine Aufgabe der Armee besteht darin, aus allen Rekruten innerhalb der 18 Wochen Rekrutenschule (RS) fertig ausgebildete und voll einsatzfähige Soldaten zu machen. Um diese Vorgabe bestmöglich zu erreichen, entwickelt sich die Armee weiter. Teil der Weiterentwicklung der Armee (WEA) ist auch das Programm, bei dem die körperliche Leistungsfähigkeit gezielt aufgebaut wird. Seit dem Jahr 2013 wird es in der Armee mit sichtbarem Erfolg umgesetzt.

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Ein Aspekt der Weiterentwicklung der Armee, die bis im Jahr 2021 abgeschlossen sein wird, ist die verbesserte Ausbildung der Angehörigen der Armee. Dazu gehört auch die sportliche Ausbildung. Aufbauend auf sportwissenschaftlichen Kenntnissen wurde eine Studie ausgearbeitet. Bereits zwei frühere Studien legten nahe, dass eine Änderung des Sportprogramms in der Armee nötig ist. Sie zeigten, dass die Rekruten häufiger verletzt sind, wenn ein Ungleichgewicht zwischen der geforderten Leistung und tatsächlich individuell vorhandenen Fähigkeiten auftritt. Insbesondere in den ersten zehn Wochen der Rekrutenschule ist die körperliche und psychische Belastung sehr hoch. Diese nimmt dann über den weiteren Verlauf der RS ab. Ein dem entgegengesetzter Verlauf der Leistungsbelastung wäre laut den etablierten sportwissenschaftlichen Trainingsprinzipien sinnvoller. Der Effekt wäre grösser und die Verletzungs- und Austrittszahlen könnten zusätzlich gesenkt werden. Die Studie PROGRESS beabsichtigte, den Einfluss von progressiv aufgebauter körperlicher Belastung, qualitativ hochstehendem Sport und angepasste Führungsstile auf verschiedene Faktoren zu untersuchen. Dazu gehören: Fitness, Anzahl Verletzungen, Häufigkeit von Austritten, militärische Leistungsfähigkeit, Stress und Motivation bei Schweizer Rekruten.

Das Forschungsteam setzte sich interdisziplinär aus Vertretern der Sportwissenschaften, der Psychologie und dem Militär zusammen. Die Studienergebnisse zeigen, dass die Verletzungsrate in der Truppe durch die positive Beeinflussung von Risikofaktoren wie 25 Minuten mehr Schlaf, Arbeiten mit weniger Lasten, mehr Sport und Lauftraining, gesenkt werden konnte. Zudem konnte durch die Erhöhung von Qualität und Quantität des Sports die Leistungsfähigkeit bei Ausdauersport, Rumpfkraft und Balance gegenüber der Kontrollgruppe um bis zu 85% erhöht werden. Ebenso erhöhten sich die Leistungsmotivation und die wahrgenommene Sinnhaftigkeit der RS durch den erweiterten und besseren Sport und die progressiv zunehmenden Marschdistanzen. Bei den anderen Gruppen fiel die Leistungsmotivation oder stagnierte auf dem Ausgangsniveau. 

Aus diesen Ergebnissen wurden verschiedene Massnahmen abgeleitet, die in den Rekrutenschulen seither umgesetzt werden. Den Schulkommandanten wird dabei freigestellt, welche der möglichen Massnahmen sie in ihrer Schule als sinnvoll erachten und durchsetzen wollen. Die Massnahmen zur Reduktion der hohen Belastungen zu Beginn der Rekrutenschulen umfassen etwa die Verkürzung von Marschstrecken, das Transportieren der Packungen auf den Ausbildungsplatz, die Verschiebungen nur einen Weg in Kampfstiefeln zurückzulegen und die Ausbildungen im Sitzen durchzuführen. Gleichzeitig wird Sport häufiger ins Tagesprogramm aufgenommen indem die Rekruten beispielsweise während des Antrittsverlesens Kraftübungen für Rumpf, Beine und Rücken ausüben. Der Fokus aller Massnahmen beruht auf der progressiven Leistungssteigerung, welche die bisher praktizierte degressive Leistungssteigerung ablöst.

Doch nicht nur in Sachen Sport gibt es Veränderungen, auch der Umgangston wird den Zeiten angepasst. Die Kommandanten werden angehalten, den Zweck ihrer Befehle in einem bestimmten, aber respektvollen und angenehmen Umgangston zu erläutern. Den Rekruten soll die Sinnhaftigkeit ihrer Tätigkeiten vermittelt werden, was wiederum zu höherer Motivation und Verbindlichkeit gegenüber der Armee führt .

Natürlich wurden diese Massnahmen nach einiger Zeit der Umsetzung evaluiert. Der Bericht der Evaluationsstudie „Swiss Army Physical Fitness Training“ von 2016 bestätigt, dass die Rekruten von den neuen Massnahmen insgesamt profitieren. Zum Beispiel sind sie nach den ersten zehn RS-Wochen fitter und haben auch nach Abschluss der RS ein gesteigertes Bewegungs- und Sportverhalten. Die Leistungsfähigkeiten während eines Marsches wurden ebenfalls erhöht. Zudem konnten die Verletzungen während der RS und die Abbrüche aus medizinischen Gründen gesenkt werden. Alle diese positiven Veränderungen wurden mit Messgeräten erfasst und sind somit nicht nur subjektiv, sondern auch objektiv gültig. Die neu eingeführten Massnahmen zur Belastungsreduktion gelten allerdings nur zu Beginn der RS und bedeuten nicht, dass die geforderte Leistung in der RS insgesamt abnimmt. Die grossen Belastungsprüfungen für die Rekruten und damit das Erreichen der eigenen Leistungsgrenzen verschiebt sich nur zeitlich, bleibt aber qualitativ wie bisher bestehen. Das Ziel, aus den Rekruten nach 18 Wochen fertig ausgebildete Soldaten zu machen und damit den Verfassungsauftrag zu erfüllen, wird auch mit den genannten Anpassung vollumfänglich erfüllt. Die sehr positiven Rückmeldungen von den Schulkommandanten sowie die Evaluierung der Programmumsetzung zeigen, dass die erhoffte Wirkung eintritt und das Modell Erfolg hat.


Daniel Reist Chef Medienbeziehungen Verteidigung
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