print preview

Zurück zur Übersicht Militärische Friedensförderung


Komplexes Umfeld durch ethnische Vielfalt – Im Gespräch mit Team Commander Jan Rossi

Hauptmann Jan Rossi ist Team Commander im Liaison and Monitoring Team in Mitrovica. In seiner Funktion trägt er viel Verantwortung und ist mit seinem Team in einer anspruchsvollen Region im Norden Kosovos stationiert. Er erzählt im folgenden Interview über seinen Alltag, die Herausforderungen und welchen Mehrwert ihm der Einsatz als Berufsoffizier bietet.

20.09.2023 | SWISSCOY 48

Hauptmann Jan Rossi ist Team Commander im Liaison and Monitoring Team in Mitrovica.
Hauptmann Jan Rossi ist Team Commander im Liaison and Monitoring Team in Mitrovica.

Interview geführt von Fachof Xhetare Rexhaj, Presse- und Informationsoffizierin SWISSCOY 48

Jan Rossi, wie sieht Ihr Alltag als Team Commander eines Liaison and Monitoring Teams aus?

Ein typischer Tag für mich in Mitrovica beginnt frühmorgens mit „national business“. Dies bedeutet, dass die Mails und Aufträge unseres nationalen Stabes bearbeitet werden. Startpunkt des Tages für das gesamte Team bildet das Morning Briefing, um alle Teammitglieder auf den gleichen Wissenstand des Vortages zu bringen, aber auch um die kommenden Tage vorzubereiten.
Je nach dem um welche Uhrzeit meine lokalen Kontaktpersonen und damit meine Gesprächspartner Zeit haben, führe ich ein bis zwei Meetings pro Tag durch, mit ganz bestimmten thematischen Schwerpunkten. Während mein zugewiesener Observer, welcher mich während des Meetings begleitet, im Anschluss die Gesprächsnotizen in einen Daily Situation Report zusammenfasst, plane ich die kommenden Einsätze des Teams oder kümmere mich um operationelle und administrative Aspekte. Am Abend wird gemeinsam gegessen, das gibt mir als Team Commander die Möglichkeit, mich mit meinem Team über ihren Tag und ihre Erlebnisse auszutauschen. Die Abende sind oftmals flexibel, je nachdem ob noch Arbeit ansteht oder nicht.

Sie führen das grösste LMT Team der SWISSCOY. Eine anspruchsvolle Aufgabe in einem anspruchsvollen Gebiet. Wie ergeht es Ihnen und welche Herausforderungen sehen Sie?

Das Umfeld in Mitrovica ist komplex, da alle ethnischen Gruppen wie auch alle Religionen des Kosovo vertreten sind. Dennoch ist klar festzustellen, dass wir als Schweizer eine hohe Glaubwürdigkeit innerhalb der Bevölkerung geniessen. Rückblickend auf die Zeit der Spannungen im Mai und Juni 2023 lässt sich sagen, dass ein antizipatives Erfassen der Lage die grösste Sicherheit bietet, die man hat. Die Situation im Norden des Kosovo ist volatil. Die grösste Herausforderung aus meiner Sicht ist, den Rhythmus des Teams so zu steuern, dass sie zum notwendigen Zeitpunkt auch zu 100% einsatzbereit sind. Dies geht Hand in Hand mit der Tatsache, dass wir unter einem Dach leben und arbeiten. Eine offene und ehrliche Kommunikation, sowie die Rücksichtnahme auf die individuellen Bedürfnisse ist hierbei der Schlüssel zum Erfolg. Wichtig ist ebenfalls, dass sich die Angehörigen der SWISSCOY darüber bewusst sind, dass sich die Lage im Einsatzraum rasch verändern kann – wie man an den letzten Monaten sieht. Eine gewisse Resilienz gegenüber Situationsverschärfungen ist daher unabdingbar.

Ende Mai fanden Auseinandersetzungen im Norden Kosovos statt. Sie und ihr Team waren davon nicht direkt betroffen. Dennoch: Inwiefern spüren Sie die Nachwehen der Unruhen in Ihrem Verantwortungsgebiet?

In der Tat waren wir nicht direkt betroffen von der Situation in Leposavic, doch die Situation in Zvecan rund um den 29. Mai 2023 waren auch für uns fordernd – denn es war zu keinem Zeitpunkt klar, ob und wann die Situation sich auf Mitrovica ausbreiten könnte. Die Arbeit der LMT basiert auf der Kommunikation mit der Bevölkerung beider Ethnien. Bei diesen spürt man den anhaltenden Unmut über die Situation im Nordkosovo. Die Situation in Mitrovica kann sich zu jedem Zeitpunkt verändern, doch genau dann ist es als LMT unsere Aufgabe, als möglichst gutes Frühwarnsystem der KFOR zu agieren und unsere Beobachtungen an die zuständigen Stellen zu melden. Damit kann sichergestellt werden, dass die KFOR ihre Einsatzelemente auf mögliche Lageveränderungen ausrichten kann.

Der Einsatz neigt sich schon bald dem Ende zu, was sind Ihr Pläne für die Zeit danach?

Vor dem Einsatz habe ich die Militärakademie der Schweizer Armee abgeschlossen und werde ab November 2023 als Einheitsberufsoffizier eingesetzt. Meine Aufgabe wird es unter anderem sein, die angehenden Nachschuboffiziere weiterzubilden. Dabei werde ich auch die Verantwortung tragen über das „Weitermachen“ in einer Kompanie. Ich freue mich sehr auf diese neue Herausforderung.

Welchen Mehrwert sehen Sie als Berufsoffizier in einem solchen Einsatz?

Der Einsatz in einem Liaison and Monitoring Team bringt mir viele Erkenntnisse, die ich in meiner Arbeit als Berufsoffizier wertvoll weiterverwenden kann. Die Arbeit mit der zivilen Bevölkerung in Rahmen eines militärischen Auftrages ist nicht nur subsidiär beziehungsweise in einem friedensfördernden Einsatz wichtig, sondern auch während robusten Einsätzen. Durch das Vertrauen zur Bevölkerung lassen sich wertvolle Informationen zur Verdichtung des Lagebilds gewinnen. Die Möglichkeit dies zu erleben, ist innerhalb von Übungen kaum darzustellen. Und zudem spüre ich, dass wir als Schweizer Offiziere und Soldaten im internationalen Umfeld sehr gut integriert sind und unsere Prozesse auch dem internationalen Vergleich standhalten. Durch unsere Pünktlichkeit, Präzision und die hohe Arbeitsmoral werden wir international sehr geschätzt. Unsere Ansätze im Bereich der Führungstätigkeiten beweisen sich als schnell und dennoch genügend einfach, um in hektischen Situationen die richtigen Entscheidungen zu treffen.

 

Jan Rossi im Gespräch mit einem Teammitglied.
Jan Rossi im Gespräch mit einem Teammitglied.


Zurück zur Übersicht Militärische Friedensförderung