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Beteiligung der Schweizer Armee am Kapazitätsaufbau in Afrika

Die Schweizer Armee beteiligt sich seit 2019 an der École de Maintien de la Paix Alioune Blondin Bèye (EMP-ABB). Im Rahmen des Kapazitätsaufbaus arbeiten zwei Schweizer Offiziere in diesem Ausbildungszentrum im Bamako, Mali, welches die einzige von der UNO anerkannte Institution im Bereich der Friedensförderung in der frankophonen Region Afrikas ist. Einer der zwei Offiziere ist Oberst Alex Neukomm, der nach zwei Jahren vor Ort von seinen Erfahrungen berichtet.

08.07.2022 | Kommunikation SWISSINT

 

Herr Oberst Neukomm, Sie arbeiten seit zwei Jahren an der EMP-ABB. Welche Aufgaben übernehmen Schweizer Offiziere dort?

Die ersten zwei Schweizer Offiziere wurden der EMP-ABB als Instruktoren zur Verfügung gestellt. Nach deren Einarbeitung realisierten diese bald, dass sie in dieser Funktion zwar persönlich wertvolle Erfahrungen sammeln, aber der Schule keinen echten Mehrwert erbringen konnten, da das lokale Instruktionspersonal sehr qualifiziert ist und den Unterricht bereits auf einem beeindruckend hohen Niveau durchführt. Um den Einsatz der Schweizer Offiziere für das Ausbildungszentrum gewinnbringender zu gestalten, wurden mit dem Generaldirektor diesbezüglich Gespräche geführt. Im Anschluss übergab dieser den beiden Schweizer Offizieren sehr gerne die beiden grössten Problembereiche seiner Schule, nämlich den Informatik- und den Planungsbereich. Seither konnten bedeutende Verbesserungen in diesen beiden Gebieten erzielt werden, welche vom gesamten Schulpersonal äusserst geschätzt werden. Zudem wurden den beiden Offizieren der Schweizer Armee zwischenzeitlich weitere Aufgaben übergeben. Eine Person ist heute in der Funktion als "Directeur des Stages Par Interim" verantwortlich für die Jahresplanung, die Koordination sämtlicher Aktivitäten und die Vorbereitung aller Kurse. Der zweite Offizier ist als "Chef IT" für die Pflege der digitalen Infrastruktur sowie den Ausbau des schuleigenen Learning Management System (LMS) zuständig.

Was ist die EMP-ABB und wer oder was wird dort ausgebildet?

Das Ausbildungszentrum EMP-ABB ist in der frankophonen Region Afrikas die einzige von der UNO anerkannte Institution im Bereich der Friedensförderung, welche Kurse auf Französisch anbietet. Seit dessen Bestehen absolvieren Frauen und Männer aus dem militärischen, polizeilichen und zivilen Umfeld aus 40 afrikanischen Ländern Kurse in verschiedenen Themenbereichen wie unter anderem Mediation, Sicherheitssektor-Reform, Konfliktanalyse, zivil-militärische Kooperation, Schutz der Zivilbevölkerung, Kriegsvölkerrecht, Gender Equality, Planung und Logistik. Zudem bietet das EMP-ABB ein Masterprogramm an. Zum Ausbildungszentrum gehören nebst Ausbildungs-, Büro- und Unterkunftsräumlichkeiten auch Sitzungs- und Tagungsräume, eine Bibliothek sowie eine Kantine. Zudem verfügt die EMP-ABB mit dem "Centre d’analyse et de recherche sur l’espace sahélo-saharien" (CARESS) über eine eigene Forschungseinrichtung. Das Personal der EMP-ABB setzt sich mehrheitlich aus nationalen und einigen internationalen Frauen und Männern zusammen, die sowohl aus dem militärischen, polizeilichen, wie auch aus dem zivilen Bereich stammen.

 

Wie sehen Ihre Aufgaben im Detail aus?

Ich bin im EMP-ABB in der Funktion des "Directeur des Stages Par Interim" tätig. Ich befasse mich daher mit der Jahresplanung sowie der Koordination der Aktivitäten des Ausbildungszentrums und der Vorbereitung der Kurse. Die Jahresplanung wird massgeblich durch die Sponsorensuche und deren Interessen beeinflusst. So fanden wir dieses Jahr beispielsweise mit Luxemburg einen neuen Unterstützer, der sich durch eigene Kapazitäten in der Entminung qualifiziert. Aus diesem Grund empfahl uns Luxemburg mit Teilen seiner zur Verfügung gestellten Mittel – nebst der Finanzierung von bestehenden Kursen – einen neuen Kurs im Bereich der Minensensibilisierung zu entwickeln. Sobald Sponsoren des EMP-ABB neue Finanzierungen zusagen, koordiniere ich die Details in persönlichen Gesprächen mit den Verantwortlichen aus der Finanz-, der Instruktions- und der Forschungsabteilung. Zudem empfange ich regelmässig externe Personen zu Besichtigungen der Schule und zur Diskussion von Anlässen, für die wir unsere Säle zwischen den eigenen Aktivitäten vermieten. Mit meinen beiden Mitarbeitern (ein malischer Polizeiangehöriger und eine malische Zivilperson) bespreche ich die Zusammensetzung der demnächst anstehenden Kurse. Den in- und ausländischen Sicherheitsorganisationen (Armee, Gendarmerie, Polizei, Zivilschutz, Strafvollzug) teilen wir Kursplätze zu, worauf sie deren Teilnehmenden designieren. Ebenfalls bewerben sich zivile Interessenten um die Kursplätze. Diese selektionieren wir anschliessend gemeinsam mit dem Instruktionspersonal. Für die ausländischen Teilnehmerinnen und -teilnehmer organisieren wir ausserdem die Reise in Form von Flugticketbestellungen, Einholen von Visa, dem Sicherstellen des Flughafentransfers und dem Arrangieren der COVID-Tests. Mindestens einmal pro Tag schaue ich bei meinem Vorgesetzten vorbei, einem malischen Armeeangehörigen, um ihn über die aktuelle Situation auf dem Laufenden zu halten und allfällige Fragen zu klären.

Sie waren der zweite Schweizer, der sich an der EMP-ABB beteiligte. Was waren Ihre ersten Eindrücke von der Arbeit und dem Einsatzland?

Ich bin stark beeindruckt von der Herzlichkeit und Anteilnahme am Gegenüber der lokalen Bevölkerung. Es findet kein Gespräch statt, bevor man sich nicht um die Gesundheit des Gesprächspartners und nach dem Wohlbefinden seiner Familie erkundigt hat. Obwohl viele Menschen unzählige Sorgen haben, dringt immer wieder das Positive durch und man wird mit einem Lachen beschenkt. Generell sprechen die Malier gerne und auch viel – es ist spannend ihnen zuzuhören und ihre Geschichten zu erfahren. Nichtsdestotrotz besitzen sie ebenfalls eine beeindruckende Improvisationsgabe und sind es sich gewohnt, bei Problemen auch noch in letzter Minute Lösungen zu finden. Diese Herzlichkeit, die langen Gespräche sowie die Improvisationsfähigkeit prägen sowohl meine Arbeit als auch meine Freizeit hier in Bamako.

Welches sind Ihre grössten Herausforderungen, welche Ihnen während Ihrem Einsatz begegnen?

Eine grosse Herausforderung ist die Hitze – ich habe noch nie in meinem Leben so viel geschwitzt wie während den vergangenen zwei Jahren. Glücklicherweise hatte ich immer genügend Wasser zur Verfügung. Ich nahm aber nicht immer genügend Salz zu mir – beides ist wichtig. Ebenfalls stellt Malaria eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar: Viele meiner malischen Arbeitskollegen erkrankten im Verlaufe meines Einsatzes an dieser Krankheit, gewisse Kollegen sogar mehr als einmal. Daher rüstete mich SWISSINT mit genügend Schutzspray vor Mückenstichen und Malaria-Prophylaxe aus. Die konsequente Anwendung hat mir zu zwei malariafreien Einsatzjahren in Mali verholfen. Weiter erlaubt es die Sicherheitslage in Mali leider nicht, das einstige Tourismusland auf eigene Faust zu entdecken. Aus diesem Grund beschränkt sich mein Bewegungsradius auf das Stadtgebiet von Bamako.

Wie wurden Sie für Ihren Einsatz ausgebildet? Nehmen Sie Erfahrungen aus früheren Einsätzen mit?

Bisher leistete ich Einsätze in der NNSC (Neutral Nations Supervisory Commission) auf der koreanischen Halbinsel und in der UNTSO (United Nations Truce Supervision Organization) im Nahen Osten. Ich bin ausgebildeter UNO-Militärbeobachter und wurde am Kompetenzzentrum SWISSINT vor jeder Entsendung in einem Einsatzvorbereitungskurs sorgfältig in die neuen Aufgaben und den neuen Einsatzraum eingeführt, missionsspezifisch ausgerüstet und entsprechend geimpft.

Meine Erfahrungen, welche ich während den vorgenannten Einsätzen in der militärischen Friedensförderung sammeln konnte, sind für mich in diesem aktuellen Einsatz des Kapazitätsaufbaus äusserst wertvoll. Ich treffe hier an der EMP-ABB täglich Menschen, die selber einen Einsatz in der Friedensförderung leisten möchten, und deshalb zur entsprechenden Ausbildung an die EMP-ABB gekommen sind. Anlässlich dieser Begegnungen kann ich von meinen persönlichen Erfahrungen in der militärischen Friedensförderung erzählen. Dies stärkt meine Glaubwürdigkeit.

Wichtige Voraussetzungen, die man für diese Funktion und meinen aktuellen Berufsalltag mitbringen muss, sind eine gewisse Geduld und Gelassenheit, Erfahrungen aus der militärischen Friedensförderung sowie allgemein eine schöne Portion Lebens- und Berufserfahrung.

Bringt Ihr Einsatz einen Mehrwehrt für Ihre berufliche Karriere oder die persönliche Entwicklung?

Mein aktueller Einsatz ist eine enorme persönliche Bereicherung. Auf der einen Seite ermöglicht er mir die afrikanische Kultur und Gesellschaft kennen zu lernen. Auf der anderen Seite sehe ich in politische und wirtschaftliche Zusammenhänge und Probleme einer Region, die von den Schweizer Medien nicht stark abgedeckt wird. Ich arbeite zu 100% mit Afrikanerinnen und Afrikanern zusammen, mehrheitlich mit Maliern. Ich schätze diese reiche persönliche Erfahrung sehr, die mir bestimmt auch in Zukunft sowohl im Privaten als auch im Berufsleben im Umgang mit Vertreterinnen und Vertretern anderer Kulturkreise zu Gute kommen wird.

Was war Ihre Motivation, um diesen Einsatz im Kapazitätsaufbau der militärischen Friedensförderung zu leisten?

Die militärische Friedensförderung interessiert mich seit fast 30 Jahren. Aus diesem Grund leistete ich mit Unterbrüchen, während denen ich meiner zivilen Tätigkeit in der Schweiz nachging, mehrere Einsätze. Nun wollte ich einmal etwas von dieser reichen Erfahrung weitergeben, die ich mir im Laufe der Zeit aneignen konnte. Das gelang mir bis jetzt, und natürlich habe ich dabei wieder neue Erfahrungen gemacht und viel gelernt.


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