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Lageverfolgung im Nahen Osten

Die UNO-Mission UNTSO erstreckt sich über mehrere Länder im Nahen Osten. Die Informationen und Berichte, der in diesen Ländern stationierten Militärbeobachtern und Partnerorganisationen der UNO, werden von einem Analysten-Team im Hauptquartier der Mission in Jerusalem beurteilt. Als «Military Information Officer» arbeitet zurzeit Hauptmann Matthias Weiss in diesem Team und ist zuständig für die Verfolgung und Beurteilung der Lage im Libanon.

12.02.2021 | Kommunikation SWISSINT, Daniel Seckler

Hauptmann Matthias Weiss ist zuständig für die Verfolgung und Beurteilung der Lage im Libanon.
Hauptmann Matthias Weiss ist zuständig für die Verfolgung und Beurteilung der Lage im Libanon.

Hauptmann Weiss, Sie stehen aktuell im Hauptquartier der UNO-Mission UNTSO in Jerusalem, Israel, im Einsatz. Welche Aufgaben haben Sie dort?

Das Einsatzgebiet der UNTSO erstreckt sich über die Länder Israel, Libanon, Syrien, Jordanien und Ägypten. Vier Personen, die im Hauptquartier der Mission in Jerusalem arbeiten, beschäftigen sich dabei intensiv mit der Lage in diesen Einsatzländern. Dies mit dem Ziel, das «Mission Senior Leadership Team», also die Missionsleitung, ständig auf dem Laufenden zu halten. Dabei informieren wir sie über wichtige Entwicklungen, damit diese ihre operationellen Entscheide treffen können. Als Teil dieses Analysis-Teams – oder wie wir es nennen, das «A-Team» – bin ich für den Libanon zuständig. Meine Aufgabe besteht darin, mich über Open Source Medien, bei Denkfabriken sowie sachkundigen Personen über die Lage in diesem Einsatzland zu informieren. Dabei verschaffe ich mir ein Gesamtbild über die Wirtschaft, Politik und Sicherheitslage sowie über soziale Aspekte. Mein Augenmerk liegt auf den Trends, die längerfristig die Sicherheitslage für das UNO-Personal im Libanon verändern.

 

Wie sieht ein typischer Alltag von Ihnen aus?

Montags beschäftige ich mich jeweils mit dem Studieren der Medienberichte, die am Wochenende veröffentlicht wurden. Ich lese englischsprachige Online-Zeitschriften sowie die Übersetzungen von arabischen und hebräischen Publikationen und natürlich auch die Berichte unserer Militärbeobachter auf dem Golan und im Süd-Libanon sowie der Partnerorganisationen der UNO. Mein Dienstag besteht darin einen kurzen Artikel über die relevantesten Vorkommnisse der vergangenen Woche zu verfassen. Diesen fügen wir im Analysis-Team zu einem Bericht zusammen, den wir anschliessend ans UNO-Hauptquartier in New York senden, um über die Gesamtlage in den Einsatzländern der UNTSO zu informieren. Den Rest der Woche nennen wir «research-days». An diesen Tagen folge ich natürlich auch der Berichterstattung der Tageszeitungen, setze mich aber ebenfalls vertieft mit den Implikationen einzelner Meldungen auseinander. Ich lese analytische Artikel von Denkfabriken, höre Podiumsdiskussionen zu und treffe mich mit verschiedensten Personen, um ein möglichst gesamtheitliches Bild der Entwicklungen zu erhalten. 

 

Welches sind Ihre grössten Herausforderungen?

Die grösste Herausforderung stellt für mich das präzise Ausdrücken in der englischen Sprache dar. In unseren Berichten für das UNO-Hauptquartier müssen wir mit unseren Formulierungen so klar wie möglich sein und die Sprache so wählen, dass nicht ungewollte Schlüsse in die Aussagen hineininterpretiert werden können. Ich lerne hierbei sehr viel von meinen Kollegen, deren Muttersprache Englisch ist. Oftmals haben wir Diskussionen über die Bedeutung einzelner Worte und darüber, wie man einen Nebensatz noch umstellen könnte, damit er nicht voreingenommen oder parteiisch interpretiert werden könnte.

 

Was waren Ihre ersten Eindrücke vom Einsatzgebiet?

Ich habe meinen Einsatz in der UNTSO als UNO-Militärbeobachter in Syrien begonnen, bevor ich mich intern auf meine aktuelle Stelle als Analyst beworben habe. Ich war überwältigt von der Gastfreundschaft, der Freundlichkeit und dem Stolz der syrischen Bevölkerung – dies trotz allem, was sie durchgemacht haben und der klaren Kriegsspuren, die allgegenwärtig sind. Die erste Patrouillenfahrt in einem Land, welches ich zuvor nur aus Kriegsmeldungen im Fernsehen kannte löste vielfältige Emotionen aus. Ich könnte es als eine Mischung aus Aufregung, Respekt, aber auch in gewissem Masse Dankbarkeit hier zu sein, beschreiben.

 

Wie wurden Sie für Ihren Einsatz ausgebildet? Welche Erfahrungen brachten Sie mit in den Einsatz?

Die Beteiligung an der UNTSO ist mein erster Auslandseinsatz. Mitgebracht habe ich meine Erfahrung als Stabsoffizier der Schweizer Armee in einem Infanterie-Bataillon und diese hilft mir hier als Analyst sehr. Das Handwerk des Militärbeobachters erlernte ich im Swiss United Nations Military Observer Course (SUNMOC). Ich kann sagen, dass mir dieser Kurs das für diesen Einsatz notwendige Wissen vermittelte. Ausserdem hat er mir auch das Bewusstsein für die Arbeit in einem fremden Umfeld geschaffen, in dem Missverständnisse sprachlich oder auch im gegenseitigen Umgang, Konsequenzen für mich oder die Mission haben könnten.

 

Bringt Ihnen Ihr Einsatz einen Mehrwert für Ihre berufliche Karriere oder die persönliche Entwicklung?

Da ich in einer beruflichen Umorientierung bin, hat dieser Einsatz für mich keinen direkten Mehrwert für meine Karriere. Die Fähigkeiten, die ich hier lerne, wie beispielsweise das präzise Ausdrücken in der englischen Sprache, das Verhandeln in einem anderen kulturellen Umfeld oder das bessere Verständnis für den Nahen Osten, sind jedoch sehr wertvoll und ich glaube, es ist ein einzigartiger Weg, all dies zu lernen.

Gibt es ein prägendes Erlebnis oder ein Highlight aus Ihrer bisherigen Zeit im Einsatz?

Zum einen waren dies sicher meine Besuche in Damaskus, die von sehr interessanten Begegnungen und dem Bewundern von spektakulären arabischen Bauten geprägt waren. Zum anderen waren es die vielen Gespräche mit Offiziers-Kameraden von Fiji bis Buthan. Wir sassen viele Abende zusammen, haben uns über Unterschiede und Gemeinsamkeiten in Kultur, Küche und Militär unterhalten. Ein Beispiel ist ein sehr interessantes Gespräch mit indischen Offizieren über Hierarchie-Verständnis und Feedback-Kultur. Diese persönlichen Gespräche sind definitiv einzigartig und ein klares Highlight meines Einsatzes.

Was war Ihre Motivation, um diesen Einsatz in der militärischen Friedensförderung zu leisten?

Jeder hört von verschiedenen Konflikten aus den Medien. Ich war immer daran interessiert mehr über solche Konflikte zu lernen. Speziell daran, wie dies die einfachsten Leute beeinflusst, die in solchen Gebieten leben – was sind ihre Gedanken, ihre Wünsche und ihre Lebensziele. Mein Ziel war und ist es zu lernen und, wenn möglich, ein wenig klüger zurück zu kommen. 


Wie und wem würden Sie einen solchen Einsatz weiterempfehlen?

Ich empfehle einen Einsatz jedem, der mehr über einen spezifischen Konflikt lernen will und daran interessiert ist, die eigene Meinungen zu hinterfragen und damit leben kann, ohne einfache Antworten zurück zu kommen.

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