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«Frauen haben ihren Platz in der Friedensförderung und es ist an uns Frauen, diese Verantwortung wahrzunehmen»

Sandra Stewart-Brutschin, Kommunikation SWISSINT, sprach mit Divisionär Germaine J.F. Seewer, Kommandant Höhere Kaderausbildung der Armee (HKA).

04.01.2021 | Kommunikation SWISSINT, Sandra Stewart-Brutschin

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Divisionär Germaine J.F. Seewer studierte Chemie an der ETH Zürich, arbeitete anschliessend am Institut für Nutztierwissenschaften der ETH und promovierte 1993. Zusätzlich durchlief sie eine militärische Karriere und wechselte 1998 in das VBS. Heute ist sie Kommandant der Höheren Kaderausbildung der Schweizer Armee. © VBS/DDPS, Divisionär Germaine J.F. Seewer

Frau Divisionär, 2000/2001 leiste­ten Sie Ihren ersten friedensför­dernden Einsatz im dritten und vierten SWISSCOY-Kontingent im Kosovo. Was hatte Sie zu die­sem Schritt bewogen?

Mein Interesse an einem friedens­fördernden Einsatz war schon frü­her geweckt worden und zwar durch einen Bericht in unserer loka­len Tageszeitung. Darin wurde ein Militärbeobachter in seiner Tätig­keit portraitiert. Für mich war klar: Auch ich könnte meinen Beitrag leis­ten! Im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit beim VBS stellte ich mich für einen Einsatz in der SWISSCOY zur Verfügung und flog im Septem­ber 2000 als Angehörige des drit­ten Kontingents in den Kosovo. Aufgrund personeller Strukturen verlängerte ich mein Engagement darüber hinaus, so dass ich noch einige Wochen im vierten Kontin­gent diente.

2004 waren Sie als Militärbeob­achter der UNO-Mission UNMEE in Äthiopien und Eritrea statio­niert. Gab es Gemeinsamkeiten dieser beiden Einsätze?

Die Friedensförderung! Und damit einhergehend das neutrale Auftre­ten und die internationale Zusam­menarbeit. Ansonsten waren die beiden Einsätze sehr verschieden. In der SWISSCOY war ich Teil eines Schweizer Kontingents mit 160 Angehörigen, die mehrheitlich im selben Camp untergebracht waren. In der UNMEE waren wir lediglich zwei Schweizer Offiziere, die in ein internationales Team integriert und an unterschiedlichen Standorten stationiert waren. Aufgrund ande­rer Organisationsstrukturen ist man als Militärbeobachter vor Ort für vieles auf sich alleine angewiesen. Für den Einsatz in Äthiopien und Eritrea konnte ich definitiv von mei­nen Erfahrungen bei der SWISSCOY profitieren.

Worin lag die grösste Herausfor­derung?

Bei der SWISSCOY war ich unter meinesgleichen, das heisst in einem Schweizer Kontingent mit bekann­ten Abläufen und gemeinsamem Verständnis. In Afrika musste ich zuerst einmal ein paar Gänge run­terschalten! Zeit und Termine sowie vermeintlich getroffene Abmachun­gen erhielten plötzlich eine andere Bedeutung. Auch das Rollenver­ständnis für weibliche Offiziere als Militärbeobachter mit gleichen Rechten und Pflichten war nicht überall gegeben.

Warum ist es wichtig, dass es mehr Frauen in der Friedensför­derung gibt?

Frauen spielen eine wichtige Rolle in unserer Gesellschaft und kön­nen und sollen sich auch mit ihren Erfahrungen und ihrem Wissen ein­bringen, hier und anderswo! Ich erinnere mich gerne an den per­sönlichen Austausch mit den ande­ren einsatzleistenden weiblichen Armeeangehörigen unterschied­licher Nationen, der jeweils sehr unkompliziert war. Äusserst inter­essant waren auch die unzähligen Gespräche mit den lokalen Frauen in meinen Einsatzgebieten über ihre Rolle und ihr Schicksal. Der Zugang von Frau zu Frau gestaltet sich ein­facher und somit können auch heik­lere Themen angesprochen werden. Und diese heikleren Themen kön­nen wir Frauen wiederum unseren männlichen Teamkollegen aufzei­gen und näherbringen. Somit wird mit der Präsenz von Peacekeeperin­nen ein klares Zeichen gesetzt, dass die Frauen vor Ort in den Friedens­förderungsprozess eingebunden werden müssen.

Wenn man als Frau einen friedens­fördernden Einsatz leistet, muss man sich aber auch jeweils der Rolle, welche die Frau in den jeweiligen Kulturen hat, bewusst sein und Ver­ständnis dafür haben.

Inwiefern haben diese friedens­fördernden Einsätze Ihr ziviles und berufliches Leben geprägt?

Meine Einsätze und meine Tätigkeit im Kommando SWISSINT waren sehr bereichernd. Dabei konnte ich mit Menschen unterschiedlichster Nationen zusammenarbeiten und einen Einblick in diverse Kulturen, Länder und Organisationen gewin­nen. Ich durfte Menschen kennen lernen, denen ich sonst nie begegnet wäre. Daraus ergab sich ein soziales Netzwerk, weil man dasselbe oder ähnliches erlebt hat. Etwas, was zuhause nicht immer einfach erklär­bar und verständlich ist. Mit einzel­nen Kameradinnen und Kameraden entstanden enge Freundschaften über die Landesgrenzen hinaus, die heute noch Bestand haben.

Aber auch beruflich knüpfte ichinternationale Kontakte von unschätzbarem Wert, die ich später als direkte Punkt zu Punkt Verbin­dung nutzen konnte. Im internationalen Austausch stellte ich schon manchmal fest, dass ich mit meinen Gesprächspartnern gleich­zeitig an derselben multinationa­len Übung teilgenommen hatte oder in der derselben Mission gewesen war. Das verbindet.

Ferner haben Begriffe wie Sicher­heit und Freiheit eine andere Dimen­sion angenommen: Was für uns hierin der Schweiz selbstverständlich ist, kann wenige Flugstunden ent­fernt eine ganz andere Bedeutung haben. So benutze ich noch heute grundsätzlich befestigte Wege und schätze, dass bei uns sauberes Trink­wasser aus dem Hahnen fliesst. Die friedensfördernden Einsätze gaben mir Bilder, die unauslöschlich ein­graviert sind – wunderschöne und auch andere …

Wie würden Sie eine Frau für ein Engagement als Peacekeeperin motivieren?

Ein Einsatz als Peacekeeperin ist sehr bereichernd. Man erlebt andere Kulturen und Menschen, lernt sich selber in unterschiedlichsten Situationen besser kennen und gewinnt an Lebenserfahrung, von der man im privaten und beruflichen Umfeld profitieren kann.

Frauen haben ihren Platz in der Frie­densförderung und es ist an uns Frauen, diese Verantwortung wahr­zunehmen. Ich habe den Entscheid, mich in der Friedensförderung vor Ort zu engagieren, nie bereut.


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