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MitteilungVeröffentlicht am 16. Januar 2025

Herausforderungen der ersten friedensfördernden UNO-Mission

1948 entsandte die UNO ihre erste friedensfördernde Mission in den Nahen Osten. Seitdem führen Militärbeobachterinnen und -beobachter ihre Mission im Auftrag der UNTSO ununterbrochen aus. Da sich auch die Sicherheitslage in dieser Region verändert hat, prüft die UNO verschiedene Möglichkeiten die UNTSO an die neuen Herausforderungen anzupassen.

Divisionär Patrick Gauchat ist seit Dezember 2021 Missionschef der United Nations Truce Supervision Organisation im Nahen Osten.

Text: Divisionär Patrick Gauchat, Missionschef der United Nations Truce Supervision Organisation (UNTSO) in Jerusalem, Israel (verfasst im Oktober 2024)

Das Mandat der United Nations Truce Supervision Organization (UNTSO) bezieht sich auf alle Waffenstillstände im Nahen Osten seit 1948 und umfasst die fünf Länder Libanon, Syrien, Israel, Jordanien und Ägypten. Die Hauptaufgaben der UNTSO bestehend einerseits darin einen regionalen Dialog mit den fünf Gastländern zu führen. Andererseits ist die Mission für die Beobachtung und Berichterstattung, das Patrouillieren im Einsatzgebiet, die Untersuchung von Vorfällen, die Durchführung von Inspektionen und die Zusammenarbeit mit der taktisch-militärischen Ebene bei den Waffenruhen im Nahen Osten verantwortlich. Diese operativen Aufgaben betreffen die Golanhöhen, den Südlibanon und die Sinai-Halbinsel. Im Falle erneuter lokaler oder globaler Konflikte und der Zunahme von Terrorismus im Nahen Osten muss die Mission in der Lage sein ihre Kompetenz, Effizienz und Anpassungsfähigkeit zu demonstrieren, dass sie Risikobewertungen in Echtzeit durchführen und Abhilfemassnahmen bereitstellen kann.

Diese Fähigkeiten hatte die UNTSO in den 75 Jahren ihres Bestehens immer wieder unter Beweis zu stellen – zuletzt mit der Situation im Libanon. Der Waffenstillstand ist seit Ende September 2024 nicht mehr in Kraft und wir befinden uns derzeit im Kriegszustand. Obwohl die Präsenz der UNTSO weiterhin gewünscht und nützlich ist, wirken sich der anhaltende Krieg im Nahen Osten und die daraus resultierenden Sicherheitsherausforderungen auf die Durchführung der Operationen aus. Wir müssen unsere Bewegungen einschränken, um die Sicherheit der Militärbeobachterinnen und -beobachter sowie der zivilen Mitarbeitenden zu gewährleisten.

Neue Konflikte im Einsatzgebiet

Zusätzlich zu dieser aktuellen Eskalation und ihren Auswirkungen auf die Ausführung des Mandats steht die Mission vor weiteren Herausforderungen, die zwischen der UNTSO-Mission und dem UNO-Sicherheitsrat diskutiert werden. Im Rahmen der Weiterentwicklung der Friedensförderung steht die Auslagerung von militärischen Leistungen zur Debatte. Der Einsatz von externen oder von einer Drittpartei erbrachten militärischen Leistungen wurde bereits in begrenztem Umfang mit der Afrikanischen Union getestet, insbesondere in Somalia. Das Einsatzgebiet der UNTSO wird von neuen Konflikten geprägt, wie zum Beispiel seit Oktober 2023 in Gaza. Die UNO erwägt drei Optionen: 1) eine NATO-Mission unter Führung der USA, 2) eine arabische Koalition unter Führung der Arabischen Liga und 3) eine neue UNO-Mission oder eine Ausweitung der UNTSO auf Gaza. In diesem Zusammenhang habe ich den Sicherheitsrat in diesem Jahr zweimal über die Lage im Nahen Osten und zukünftige Möglichkeiten informiert.

Gastländer weiterhin durch Auftragserfüllung überzeugen

Was Chancen und Bedrohungen anbelangt, gibt es zwei Ebenen: die politische und die operative. Auf politischer Ebene müssen die Gastländer davon überzeugt sein, dass die UNTSO das Mandat gemäss ihren Erwartungen erfüllt, damit sie die Arbeit der Peacekeeper vor Ort erleichtern und die administrative und logistische Unterstützung der Mission billigen. Die Zustimmung der Parteien und ihr positives Feedback an das UNO-Hauptquartier werden sich günstig auf politische und budgetäre Entscheidungen in New York auswirken, während bei einer negativen Bewertung eine Kürzung der Mittel droht. Auf operativer Ebene muss die UNTSO die Gastländer davon überzeugen, dass zur Erfüllung des Mandats weitere hochmoderne Technologie zugelassen werden sollte. Da die meisten Verstösse nachts stattfinden, wird man dank Nachtsichtgeräten in der Lage sein Verstösse zu erfassen und so zu verhindern sowie die Berichterstattung an die Parteien und den Sicherheitsrat drastisch zu verbessern.

Neutralität der Peacekeeper ist entscheidend

Die grössten Herausforderungen sind das sich ständig verändernde und oft prekäre politische Umfeld und die Kriegsführung in der Region. Die damit einhergehenden Herausforderungen bestehen darin, auf die Situation vor Ort zu reagieren und gleichzeitig Chancen inmitten des Chaos zu erkennen. Auf diese Weise kann die UNTSO ihren Wert in der Region unter Beweis stellen. Die UNTSO muss Chancen suchen und ergreifen und in Echtzeit reagieren, um ihr Mandat erfüllen zu können. Andernfalls besteht die Gefahr von Gegnern angegriffen zu werden, die das Ende ihrer Präsenz in der Region anstreben. Der Nahe Osten ist eine komplexe Region, die Gegenstand unzähliger UNO-Missionen war. Daher ist die UNTSO auf ihr positives Image angewiesen, um allgemeine Akzeptanz in der Region zu gewinnen.

Die UNTSO kann ihre Relevanz erhöhen, wenn sie ihr Mandat in einem instabilen Umfeld zufriedenstellend erfüllen kann. Das starke Verbindungssystem, das die UNTSO zwischen den fünf Hauptstädten des Nahen Ostens aufgebaut hat, hat die entsprechenden Diskussionen sichergestellt, um Unterstützung für die UNTSO-Massnahmen unter den Gastländern zu erhalten. Der wichtigste Vorteil ist die Wahrung einer anerkannten neutralen Haltung durch den Einsatz von Militärbeobachterinnen und -beobachtern. Ihre Professionalität muss durch eine bestmögliche Ausbildung vor dem Einsatz und während des Einsatzes sowie durch technisches und kommunikatives Material auf dem neuesten Standard gewährleistet werden.

Anmerkung der Redaktion: Divisionär Patrick Gauchat hat zusätzlich zu seiner Funktion als Chef der UNTSO die Funktion als Chef ad interim der United Nations Disengagement Observer Force (UNDOF) übernommen. Hier zur Medienmitteilung.

Insgesamt nehmen 30 Nationen mit rund 160 Militärbeobachterinnen und -beobachtern sowie 80 Zivilpersonen an der UNTSO teil. Darüber hinaus umfasst die Mission ein Team von 148 lokalen Zivilistinnen und Zivilisten.