9 - Ein Blick auf die Stadt
Der Aussichtspunkt an der Waldeggstrasse zeigt die enge Verbindung zwischen dem Appenzellerland und St. Gallen, vereint durch eine gemeinsame Ostschweizer Identität, die auch von einem kollektiven militärischen Erbe geprägt ist.
Diese Kurve der Waldeggstrasse bietet einen atemberaubenden Ausblick, der zur Reflexion einlädt. Im Vordergrund erstreckt sich der Gübsensee, bereits auf St. Galler Boden. Dieser Stausee, 1 200 Meter lang und 200 bis 300 Meter breit, entsteht Ende des 19. Jahrhunderts auf einem ehemaligen Moorgebiet und speist seither das nahegelegene Elektrizitätswerk. Im Hintergrund, etwas tiefer gelegen, zeichnet sich die Stadt St. Gallen ab. Der Kontrast zwischen den beiden geografischen Räumen, getrennt durch die Sitter, ist beeindruckend. Das Appenzellerland wirkt wie eine Insel aus Hügeln, die sich über die Ebene erhebt. Hier lebt eine Bevölkerung, der man gerne einen ausgeprägten Charakter nachsagt, stark verwurzelt in ihrer Identität und in sorgfältig gepflegten Traditionen.
Dennoch war das Appenzellerland nie vom Rest der Welt abgeschottet. Bereits im Mittelalter pflegen seine Bewohner enge Beziehungen zu ihren Nachbarn. Sie schliessen bilaterale Verträge mit den Eidgenossen, die ihren Einfluss in der Ostschweiz nach und nach ausweiten, bevor Appenzell 1513 vollständig in die Eidgenossenschaft aufgenommen wird. Gleichzeitig knüpfen sie Partnerschaften mit den Reichsstädten rund um den Bodensee. Die Textilindustrie von Appenzell Ausserrhoden profitiert dabei von der Nähe zu St. Gallen, das sich damals zu einem bedeutenden Zentrum des Leinenhandels entwickelt und zahlreiche Arbeitskräfte beschäftigt. Im 18. Jahrhundert schaffen es einige Familien aus Appenzell Ausserrhoden sogar, sich im internationalen Handel zu etablieren. Auch heute bleibt die Verbindung zu St. Gallen, dem wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum der Region, stark. Für die Einwohner von Herisau, die an der dörflichen Identität ihrer Gemeinde festhalten, bedeutet «in die Stadt gehen» noch immer, nach St. Gallen zu fahren. Die OLMA stellt für Herisauer und St. Galler zugleich einen jährlichen Höhepunkt dar, ein Ereignis, das die regionale Verbundenheit feiert.
Zusammen mit den Kantonen Schaffhausen, Thurgau, Glarus und St. Gallen bilden die beiden Appenzell die Ostschweiz. Diese Region, die sich zwischen dem Bodensee und dem Zürichsee erstreckt, zeichnet sich durch ihre bemerkenswerte Vielfalt aus, was sich auch in den unterschiedlichen Charakteren ihrer Bewohner widerspiegelt. Trotz dieser Unterschiede spielt die Armee eine verbindende Rolle als identitätsstiftendes Element. Zwischen 1891 und 2003 verkörpert das Feldarmeekorps 4 einen Ostschweizer Korpsgeist, geschmiedet unter den Fahnen, in den Kasernen und auf den Waffenplätzen.
Haben Sie selbst Ihren Militärdienst in der Region geleistet? Vielleicht erinnern Sie sich noch an die Kameradschaft, an die Übungen auf den Waffenplätzen oder an die Märsche durch die Hügel des Appenzellerlandes? Teilen Sie Ihre Erinnerungen mit uns und tragen Sie dazu bei, das kollektive Gedächtnis lebendig zu halten.
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