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Veröffentlicht am 12. Juni 2025

7 - Der ruhige Füsilier: Robert Walser (1878-1956)

Robert Walser leistete während des Ersten Weltkriegs Aktivdienst und setzte sich in seinen Texten mit dem Soldatenleben auseinander. Ab 1933 lebte er in der psychiatrischen Anstalt Herisau, wo er bis zu seinem Tod 1956 blieb.

Robert Walser 01.05.1942, Foto: Carl Seelig

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Robert Walser (1878-1956) gilt als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Autoren, veröffentlichte fünfzehn Bücher und über tausend Texte. Sein Schicksal ist untrennbar mit Herisau verbunden. Psychisch erkrankt, wird Walser 1933 von der Klinik Waldau in Bern, wo er sich 1929 selbst eingewiesen hatte, in die psychiatrische Anstalt Herisau verlegt. Dort verbringt er seine letzten dreiundzwanzig Lebensjahre bis zu seinem Tod im Jahr 1956.

Als unauffälliger Patient wohnt Walser im «Haus 1», dem Haus für «ruhige Männer». Er ist mit der Herstellung von Papiertüten und Briefumschlägen beschäftigt. Unabhängig vom Wetter unternimmt er lange Spaziergänge. Auf einem dieser Wege bricht er am 25. Dezember 1956 an einem Herzinfarkt zusammen. In dieser Zeit entstand kein literarisches Werk oder zumindest wurde keines gefunden. Nur einige Briefe zeugen davon, dass er das Schreiben nicht vollständig aufgegeben hatte. Deshalb nimmt Herisau in seinem Leben eine besondere Rolle ein: Zwar kann sich das Dorf rühmen, einem weltweit gefeierten Schriftsteller eine Heimstatt gegeben zu haben, doch steht diese Zeit aus literarischer Sicht unter dem Zeichen des Schweigens.

Walser ist heute auf dem Friedhof von Herisau beigesetzt, auf einem Hügel mit Blick auf die Kaserne des Dorfs. Diese Verbindung zum Militär beschränkt sich jedoch nicht nur auf seine Grabstätte. Zwar wurde dieser Aspekt lange übersehen, doch spielte das Militär eine nicht zu unterschätzende Rolle in seinem Leben und Werk. Während des Ersten Weltkriegs diente Robert Walser als Füsilier in der dritten Kompanie des Landwehrbataillons 134. Er durchquerte die Schweiz und schilderte in seiner Korrespondenz die Eigenheiten des Militärlebens. So klagt er über den Verlust der Freiheit und die Eintönigkeit der Aufgaben, berichtet aber auch von Freuden, etwa, wenn er ein Paket mit Lebensmitteln von seiner treuen Freundin Frieda Mermet erhielt. Die Pausen nutzte er zum Schreiben und zum Erkunden der Natur.

Walser widmete dem militärischen Umfeld mehrere kurze Texte, darunter «Der Soldat», «Etwas über den Soldaten» und «Beim Militär». Auch in seinen Romanen tauchen Krieg und Armee auf. Auffällig ist die scheinbare Naivität, mit der er das Militärische beschreibt, in einer Sprache, die mitunter militärische Terminologie in verblüffender Präzision aufgreift. Seine Faszination für die Welt der Soldaten, deren Ausbildung er als eine Art Kunstwerk darstellt, sowie die Aufwertung des Pflichtgefühls erzeugen eine vielschichtige Tiefe. Die Texte scheinen von Ironie durchzogen. Zugleich lässt sich aus keinem der Texte eine klare Position zum Militär herauslesen. Diese Ambivalenz ist Walsers Stärke: Er überlässt das letzte Wort dem Leser, der seine eigene Ansicht in den Text projiziert.

Peter Morger, der Initiator des Robert-Walser-Pfads, der den Schriftsteller mit einem literarischen Rundweg rund um Herisau würdigt, wollte zum Nachdenken anregen und hat einige Zitate Walsers direkt gegenüber der Kaserne angebracht. Möglicherweise war dies eine subtile Provokation des überzeugten Antimilitaristen. Vor allem aber fordert dieser Ansatz die Spaziergängerinnen und Spaziergänger auf, über die Rolle des Militärs in der Schweizer Gesellschaft nachzudenken. In einem Land mit einem Milizsystem wie der Schweiz lässt dieses Thema kaum jemanden kalt.

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