Zum Hauptinhalt springen

Veröffentlicht am 12. Juni 2025

6 - Das Ebnet: vom Exerzierfeld zum Schauplatz lebendiger Traditionen

Das Ebnetareal, geprägt vom Zeughausgebäude, zeugt von einer militärischen Vergangenheit und ist heute ein lebendiger Ort für Feste, Märkte und lokale Traditionen.

Füs Bat 83, 84 und Schützenbat a.d im Ebnet 1914

Google Standort

Herisau ist ein Dorf mit städtischem Charakter, das sich über mehrere Ebenen erstreckt. Eine seiner symbolischen, wenn auch nicht geografischen Mitte bildet das Ebnet mit seiner unmittelbaren Umgebung. Heute beherbergt das Gelände schulische und sportliche Einrichtungen und spielt eine zentrale Rolle im kulturellen und gesellschaftlichen Leben der Gemeinde. Am Funkensonntag wird hier jedes Jahr der Winter verabschiedet: Gidio Hosestoss, eine Figur, die an einem gestohlenen Leckerli erstickt sein soll, wird auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Nicht weit davon entfernt wird in der Chälblihalle im März der Herisauer Bloch versteigert. Gegen Ende des Schuljahres verwandelt sich das Ebnet alle zwei Jahre in die Festwiese des Kinderfests (früher Jugendfest genannt), einer Tradition aus dem Jahr 1873, die für die Kinder Herisaus den Höhepunkt des Schullebens darstellt. Im September belebt eine Viehschau das Gelände, gefolgt vom Jahrmarkt im Oktober. Anfang Dezember richtet der Christkindli Markt seine Stände auf dem Ebnet ein, bevor die Silvesterchläuse das Jahr stimmungsvoll ausklingen lassen. Das ehemalige Zeughaus, heute unter anderem von der Kantonspolizei genutzt, sowie die umliegenden Strassen (Schützenstrasse und Zeughausstrasse) erinnern noch heute an die militärische Vergangenheit dieses Areals.

Wie der Name schon sagt, bezeichnet das Ebnet eine kleine, ebene Landfläche. Noch bevor es als eigentlicher Exerzierplatz ausgebaut wurde, diente es bereits militärischen Zwecken: Hier fanden Truppenparaden, Auszüge von Dragoner- und Grenadierkompanien sowie Sammlungen von Truppen für Manöver statt. 1865 finanzierte die Gemeinde im Zusammenhang mit dem Bau der Kaserne die Nivellierung des Geländes. Zwischen 1834 und 1876 diente das Ebnet zudem als Gemeindefriedhof. Auch die Turnbewegung nutzte das Gelände: 1886 wurde dort dank einer Spende von Karl Krüse (1855-1925), einem in Zürich ansässigen Sohn Herisaus, eine Turnhalle errichtet. Ab den 1910er-Jahren entstand unter der Leitung von Alfred Ramseyer (1884-1957), dem Gemeindebaumeister, die Vision, das Ebnet in ein grosszügiges Wohnquartier im Stil einer Gartenstadt zu verwandeln. Das Projekt wurde 1913 an der Städtebau-Ausstellung in Genf präsentiert und begeistert aufgenommen. Auch an der Landesausstellung 1914 in Bern wurden die Planungsanstrengungen gewürdigt.
Die Nachkriegskrise setzte diesen ambitionierten Plänen jedoch ein Ende: Obwohl das Bauprojekt offiziell bewilligt worden war, wurde die geplante Wohnsiedlung auf dem Ebnet nie realisiert.

Das Ebnet spielt in beiden Weltkriegen eine starke symbolische Rolle. Am 5. August 1914 leisten die appenzellischen Füsilierbataillone 83 und 84 sowie das Schützenbataillon 7 auf dem Ebnet den Fahneneid, bevor sie zur Grenzsicherung in den Jura, ins Engadin oder ins Tessin entsandt werden, während der Landsturm Bahnlinien, Brücken und Tunnel bewacht. Am 24. November 1915, nach ihrem zweiten Ablösungseinsatz, marschieren die Bataillone auf dem Ebnet vor General Ulrich Wille (1848-1925) auf. 1939, zu Beginn des Zweiten Weltkriegs, leisten erneut Soldaten auf dem Ebnet den Fahneneid: das appenzellische Infanterieregiment 34, unter den Augen eines zahlreich erschienenen Publikums. Nach einer ersten Stationierung in der Region Toggenburg-Linthebene wird das Regiment in eine Reduitstellung um den Sihlsee verlegt. Die Herisauer Soldaten werden bis 1945 regelmässig zum Aktivdienst aufgeboten, mit einem gefährlichen Einsatz im Frühling 1945, als sie Schaffhausen beim alliierten Vormarsch an den Bodensee schützen sollen. Dabei werden mehrere von ihnen irrtümlich von französischen Panzern verletzt. Im Rahmen des Plan Wahlen wird das noch unbebaute Ebnet während des Krieges in eine grosse Gemüseanbaufläche umgewandelt.

Heute wird das Ebnet von seinem imposanten Zeughaus geprägt, das 1919 erbaut wurde. Diese Errungenschaft heilt eine alte Wunde aus Sicht von Herisau: Die Gemeinde hatte sich einst darum bemüht, das Artilleriezeughaus zu erhalten, das 1852 schliesslich Teufen zugesprochen wurde.
1917 tauchte die Frage eines neuen Zeughauses erneut auf: Herisau war als Sammelplatz des Regiments 34 bestimmt worden, und die Einführung der Maschinengewehre erforderte zusätzlichen Raum. Obwohl die Landsgemeinde das Projekt zunächst ablehnte, kam schliesslich eine Einigung zustande: Der Bund übernahm die Baukosten, während die Gemeinde das Gelände zur Verfügung stellte. Die Kosten beliefen sich auf 865 000 Franken für den Bund, wobei der Gemeinderat zusätzlich 4000 Franken bewilligte, unter der Bedingung, dass das Gebäude mit modernen Fensterläden ausgestattet wurde. Das Zeughaus beherbergte damals die Fahrzeuge der beiden appenzellischen Füsilierbataillone 83 und 84, deren Korpsmaterial, leichte und schwere Maschinengewehre sowie die Ausrüstung des Landwehr-Sappeurbataillons 16 und des Landsturms.

Das Ebnet im Dienst der Anbauschlacht 1943

Das Ebnet im Dienst der Anbauschlacht 1944

Zurück zur Startseite Kulturpfad