2 - Clara Nef (1885-1983): zwischen Fürsorge und Wehrhaftigkeit
Einblick in das Leben einer Herisauerin, die sich mit grossem Engagement im Frauenhilfsdienst und in der geistigen Landesverteidigung einsetzte.

Die Wehrpflicht ist traditionell fest als männliches Merkmal verankert und galt lange als Voraussetzung für die volle staatsbürgerliche Anerkennung. Angesichts der gesellschaftlichen Bedeutung dieses Themas überrascht es nicht, dass die Frauenbewegung, die sich Ende des 19. Jahrhunderts zur Verbesserung der politischen, sozialen und zivilen Stellung der Frauen formierte, dieses aufgriff. Anfang des 20. Jahrhunderts setzten sich der Schweizerische Frauenverein und der Bund Schweizerischer Frauenvereine für die Einführung eines obligatorischen Frauendienstes zur Landesverteidigung ein. Diese Idee widersprach dem traditionellen Verständnis und blieb deshalb unverwirklicht. Immerhin wurde ab 1903 der Einsatz von Frauen im Rahmen des Schweizerischen Roten Kreuzes vorgesehen. Durch die Mobilmachung, die den Frauen plötzlich ganz neue Verantwortungen überträgt, trägt der Erste Weltkrieg wesentlich zu ihrer Emanzipation bei und verändert zugleich ihr Verhältnis zum Militär. Zwischen 1914 und 1918 engagieren sich die Frauen in den Soldatenstuben, einem Projekt der tatkräftigen Else Spiller (1881-1948), im Roten Kreuz und während der Spanischen Grippe 1918 in den Militärspitälern. Sie wirken auch in Soldatenwäschereien mit und organisieren Weihnachtsfeiern für die Truppe. Die Frauenvereine werden so zu einer tragenden Säule der Landesverteidigung. Mütterliche Tugenden bilden nun die Grundlage professionellen Handelns und rufen bei einigen neue politische Forderungen hervor.
Die Erfahrung des Ersten Weltkriegs erweist sich als prägend für die Herisauerin Clara Nef (1885-1983). Als Enkelin von Johann Jakob Hohl, Landammann und Ständerat, wächst sie nach dem frühen Tod ihres Vaters im Jahr 1882 in einem von ihrer Mutter geführten, puritanisch geprägten Haushalt auf. Nach dem Besuch einer Handelsschule in Neuchâtel lässt sie sich zur Hotelsekretärin ausbilden. Im Sommer 1914, als der Krieg ausbricht, arbeitet sie als Hausdame bei einem vermögenden britischen Geschäftsmann. Nach dessen plötzlicher Rückkehr nach England kehrt Clara nach Herisau zurück. Während ihre Mutter die Leitung des lokalen Notstandsbüros übernimmt, eröffnet sie gemeinsam mit ihrer Schwester ein Brockenhaus. In den Herausforderungen der Kriegszeit entdeckt sie ihre Berufung für karitatives Engagement. 1918 übernimmt sie den Vorsitz der kantonalen Kommission für die Ernährung der Schulkinder, die der Pro Juventute angegliedert ist. Anfangs der 1920er Jahre beteiligt sie sich an der Gründung des Bundes für Frauenbestrebungen, aus der später die ersten Volkshochschulkurse hervorgehen. 1929 gründet sie die Frauenzentrale Appenzell Ausserrhoden, die sie bis 1963 präsidiert. Von 1935 bis 1944 steht sie zudem dem Bund Schweizerischer Frauenvereine als Präsidentin vor.
Während des Zweiten Weltkriegs spielt Clara Nef eine zentrale Rolle bei der Organisation und Koordination der Appenzeller Frauen im Dienst des Vaterlandes. Engagiert im Frauenhilfsdienst (FHD) wirkt sie zudem massgeblich beim Aufbau des zivilen Frauendienstes mit. Unter ihrer Leitung koordiniert die Frauenzentrale die Unterstützung des Roten Kreuzes, führt alkoholfreie Soldatenstuben und organisiert das Sammeln und Aufbereiten militärischer Wäsche. In den ersten beiden Kriegsjahren liefern freiwillig engagierte Appenzellerinnen der Armee über 3’600 Wäschestücke: 800 Hemden, 400 Unterhosen, 300 Leibchen und 900 Paar Socken. Dank Clara Nefs Netzwerk erhält die Frauenzentrale zusätzlich bezahlte Aufträge: Bis Oktober 1941 werden bereits 10’000 Paar Socken, 1’500 Paar Handschuhe und 50’000 Brotsäcke hergestellt. Die Produktion von Socken wurde bis ins Jahr 1994 weitergeführt. Ausserdem fördert die Frauenzentrale eine hauswirtschaftliche Bildung, die den besonderen Bedingungen der Kriegszeit angepasst ist. Clara Nef engagiert sich darüber hinaus intensiv für die staatsbürgerliche und moralische Schulung der Frauen und ermutigt sie zu einer patriotischen und wachsamen Haltung gegenüber inneren Bedrohungen der nationalen Einheit. Als Mitglied des militärischen Gesinnungskaders, das mit der Beobachtung der Volksstimmung betraut ist, hält sie regelmässig Vorträge zur wirtschaftlichen und militärischen Lage.
In ihrem feministischen und sozialen Engagement verkörpert Clara Nef, die nach dem Krieg ein evangelisches Sozialheim in Walzenhausen gründet, eine puritanisch-bürgerliche Tradition, die dem bestehenden gesellschaftlichen Ordnungssystem verpflichtet bleibt. So setzt sie sich nicht für das Frauenstimmrecht ein. Dennoch ist sie eine Pionierin durch ihr unermüdliches Wirken zugunsten der Schwächsten. Und zweifellos trägt sie mit ihrem aktiven Einsatz für die Landesverteidigung symbolisch dazu bei, Frauen den Weg in die Armee zu ebnen. Im Jahr 2006 wird ihr Engagement in Herisau gewürdigt. Ein Weg wird nach ihr benannt, erstmals in Appenzell Ausserrhoden erhält damit eine Frau eine solche Ehre.
Zurück zur Startseite Kulturpfad


