Sportsoldat Pascal Christen: «Eine Chance für mich und für den gesamten Behindertensport»
29.06.2021 | Komp Zen Sport A, Kurt Henauer

Der Rollstuhlsportler Pascal Christen (Kriens LU) ist von der Brust an abwärts gelähmt. Im Februar erzielte der gebürtige Nidwaldner im Monoskibob-Weltcup mit zwei Podestplätzen in der Abfahrt seine bisher besten Resultate. Seit dem 1. Januar 2021 ist der frühere Mountainbiker remilitarisiert. Im Rahmen der Spitzensportförderung der Armee kann er als Sportsoldat nun bis zu 100 WK-Tage pro Jahr für Training und Wettkämpfe leisten.
Kurt Henauer, Kompetenzzentrum Sport Armee
Im April hatte Pascal Christen die ersten Spitzensport-WK-Tage für das Training mit dem Monoskibob im Schnee absolviert. Im Juni trainierte er mit Unterstützung der Armee auf den Anlagen des Paraplegikerzentrums Nottwil. «Einerseits fühle ich mich geehrt, zu den ersten Rollstuhlsportlern zu gehören, welche WK-Tage leisten können. Andererseits ist die Integration von Sportlern wie mir in die Spitzensportförderung der Armee auch aus Sicht der Inklusion wichtig und richtig», so Christen. «Und dank der Entschädigung mit Sold und Erwerbsersatz ist es für mich natürlich auch finanziell von Bedeutung». Die Armee unterstützt ihn damit neben seinem Gönnerverein «100er-Club» und weiteren Sponsoren.
Christen gehört dem A-Kader des Swiss-Paralympic-Ski-Teams an. Er übt im Monoskibob alle vier Alpin-Ski-Disziplinen aus. Im Februar wurde er in Saalbach (Ö) im Abfahrts-Weltcup Zweiter und Dritter, die bisher besten Ergebnisse in seiner noch kurzen, aber steilen Karriere als Rollstuhlsportler: Im August 2016 erlitt er bei einem fatalen Mountainbike-Sturz in Kanada eine Querschnittlähmung, im Januar 2017 sass er erstmals im Monoskibob, ein Jahr später fuhr er das erste Rennen und im Februar 2020 erreichte er als Zweiter im Super-G-Europacuprennen in Espot (Sp) den ersten Podestplatz.
Training in Nottwil
«Es ist natürlich schön, dass es im Schnee so gut läuft», sagt Pascal Christen, der Ende Juni auf den Anlagen des Paraplegikerzentrums in Nottwil Spitzensport-WK-Tage für das Sommertraining leistete. «Aber um konstant Spitzenresultate zu fahren, ist ich noch einiges zu tun», fährt er fort. In Nottwil stand tägliches Ausdauertraining auf dem Programm – an der Handkurbel und bei Ausfahrten mit dem Handbike, einem dreirädrigen Rennvelo für Rollstuhlfahrer. Weiter wurden mit klassischem Krafttraining, Koordinationsübungen und auch Ausflügen auf den Golfplatz neue Reize gesetzt.
«In anderthalb Wochen trainiere ich erstmals wieder auf Schnee», freute sich Christen, der die Paralympics 2022 in Peking als sein grosses Ziel nennt, auf den nächsten Trainingsabschnitt. Neben ihm wurden Anfang Jahr auch die Rollstuhlsportler Louka Real (Pully/Basketball) und Luca Olgiati (Hausen AG/Badminton) remilitarisiert. Alle erlitten das gleiche Schicksal: Nach einem schweren Unfall waren sie gelähmt und wurden dadurch dienstuntauglich.
Das Pilotprojekt mit Roger Bolliger
Was brauchte es, damit heute diese drei Athleten zur Ausübung ihres Sports wieder Militärdienst leisten können? Im Jahr 2018 fragte René Ahlmann, der damalige Kommandant des Kompetenzzentrums Sport der Armee, den oberschenkelamputierten Standing-Radrennfahrer Roger Bolliger bei einem Training im Velodrome in Grenchen, ob er einmal Militärdienst geleistet habe. Seine Antwort «Ja» war der Startschuss für ein Pilotprojekt, um behinderte Sportler mit absolvierter Rekrutenschule in den Sportstab der Armee aufzunehmen.
Danach folgte viel Überzeugungsarbeit, damit Bolliger wieder in die Armee eingeteilt werden konnte. «Wir mussten zwei Hürden überwinden», erinnert sich Brigadier Stefan Christen, Kommandant Lehrverband Genie/Rettung/ABC, zu dem das heute von Oberst im Generalstab Marco Mudry geführte Kompetenzzentrum Sport in Magglingen gehört. «Einerseits ging es darum, den militärärztlichen Bereich von unserer Idee zu überzeugen, weil nur dieser den Entscheid ‘tauglich’ oder ‘untauglich’ fällen kann. Andererseits galt es, die Militärversicherung ins Boot zu holen, die Roger Bolliger wieder aufnehmen musste».
Link auf Website: Pascal Christen – Skibobfahrer – Swiss Paralympic Skiteam