A la une 2020-1
«Die Funktion des Bataillonskommandanten ist die beste militärische Erfahrung, die ich jemals machen durfte.»
30.04.2020 | Pz Bat 12, Sdt Tschanz

Interview mit Oberstlt i Gst Christine Hug, Kdt Pz Bat 12
Frau Oberstleutnant, anfangs 2018 haben Sie das Kommando vom Panzerbataillon 12 übernommen. Was waren Ihre persönlichen Highlights?
Die Kommandozeit als Ganzes ist für mich per se ein Höhepunkt. Die Funktion des Bataillonskommandanten ist die beste militärische Erfahrung, die ich jemals machen durfte. In diesem Zusammenhang besonders hervorzuheben ist die Zusammenarbeit mit meinen Unterstellten. Ein derartiges Team, welches so engagiert und motiviert zusammensteht, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen, ist für mich höchster Antrieb und Motivation.
Eines der spezifischen Highlights bildet auch die Volltruppenübung "GLADIUS", welche wir im 2019 absolvieren durften und welche den gesamten WK prägte. Über sieben Tage stand das gesamte Bataillon im Einsatz im Kanton Thurgau. Dabei kam die Führung in ihrem eigentlichen Sinne permanent zum Zug und das Panzerbataillon als zusammenhängendes Gesamtsystem wurde so richtig erlebbar. Es ist schon sehr eindrücklich, so erfahren zu können, wie man ein Panzerbataillon rasch und flexibel zum Einsatz bringen kann.
Was waren die Herausforderungen und wie haben Sie dies gemeistert?
Die Herausforderungen in der Führung eines Bataillons sind sehr vielseitig und als Kommandant verantwortet man vieles, was man selber nicht mehr direkt beeinflussen kann. Dabei ist es essenziell, dass man sich als Kdt auf das Wesentliche beschränkt und den Gesamtzusammenhang stets vor Augen hat. Ich habe stets versucht möglichst einfach und klar zu führen und den Unterstellten grösstmögliche Handlungsfreiheit zu belassen.
Es ist sehr eindrücklich, wie viel Potenzial in einem Bataillon steckt und mit wie viel Engagement sich die Leute einbringen, wenn man sie nur lässt. Dabei muss man auch bereit sein zu akzeptieren, dass nicht immer alles genauso geht, wie man es sich vielleicht vorgestellt hat. Kommt hinzu, dass in einem Milizsystem, wie dem unseren, die meisten ihre Tätigkeiten nur während einigen Tagen im Jahr ausführen. Dementsprechend ist es essenziell, in einem Ausbildungsdienst ein Umfeld schaffen zu können, in welchem auch für Fehler Platz ist, denn diese sind der beste Garant für den Lernfortschritt.
Die Auftragstaktik war ein wichtiger Bestandteil Ihrem Führungsstil. Wie habe Sie diese angewandt und im Panzerbataillon 12 verankert?
Ich habe versucht, die Grundlagen der Auftragstaktik möglichst konsequent umzusetzen, also Ziele vorzugeben, was erreicht werden muss und dabei den Unterstellten möglichst grossen Handlungsspielraum zu geben. Leider weicht die gelebte Realität in unserer Armee aber oft von der Auftragstaktik ab und verschiedene Rahmenbedingungen lassen diese nur teilweise zu.
Somit ging es einerseits darum, den vorhandenen Handlungsspielraum möglichst ausnutzen zu können und dabei diesen den Unterstellten so weit als möglich gewähren zu können, was eine deutliche Reduktion der Befehle und Vorgaben nach sich zog. Andererseits ging es aber auch darum, das Verständnis für die Auftragstaktik und die Art derer Anwendung bei den Unterstellten zu fördern. Dies erfordert vor allem Vertrauen in die Unterstellten, das man immer wieder von Neuem geben können muss. Ein respekt- und verständnisvoller Umgang miteinander, unabhängig von Grad oder Funktion bildet die dazu unbedingt erforderliche Basis.
Es ist für mich sehr erfreulich zu sehen, wie in den letzten drei Jahren eine wirklich tolle Atmosphäre und Kameradschaft gewachsen ist, welche eindrückliche Ergebnisse hervorgebracht hat.
Was sind Ihre Lehren aus Ihrer Kommandozeit? Was würden Sie anders machen, wenn Sie erneut das Kommando übernehmen würden?
Die Lehren sind unglaublich vielseitig und mit gemachten Erfahrungen macht man das ein oder andere vielleicht anders, aber das kann man schlecht vergleichen. Wenn ich das Kommando erneut übernehmen dürfte, würde ich dort weiterfahren, wo ich heute aufgehört habe. Was ich gemacht habe, versuchte ich stets nach bestem Wissen und Gewissen zu tun und würde es mit gleichem Kenntnisstand wieder so machen.
Wo sehen Sie aus Ihrer Perspektive die Zukunft der Panzertruppen?
Solange ein Kampf mit Feuerwaffen ausgetragen wird, wird es notwendig sein, auf dem Gefechtsfeld das Feuer unter Schutz und möglichst zielgenau an den Gegner heranbringen zu können, um eine Entscheidung zu erzielen. Das wird heute mit Panzern gemacht und wird wohl auch in absehbarer Zukunft noch mit Panzern gemacht werden.
Man kann aber klar die Tendenz beobachten, dass der Einsatz rein militärischer Mittel in einem Konflikt zunehmend in den Hintergrund rückt. Wenn immer möglich, werden heute Konflikte mit anderen Mitteln, als mit militärischen ausgetragen. Man muss sich dabei auch immer die Frage stellen, was die Interessen eines Gegners sind und wie er diese am besten erreichen könne. In einer Konstellation wie heute ist im Umfeld der Schweiz der Einsatz militärischer Mittel unwahrscheinlich, weil damit kaum der angestrebte Erfolg erzielt werden könnte. Dies ist aber auch nur daher der Fall, weil der Einsatz militärischer Mittel auf entsprechende Gegenwehr stossen würde.
Mit den künftig möglichen Bedrohungen, welche wohl nicht primär von konventionellen, staatlichen Aggressionen ausgehen werden, wird es meines Erachtens wichtig sein, mit einer grossflächigen Abdeckung leichter Kräfte zur Stabilisierung einer Situation beitragen zu können und eine Eskalation zu vermeiden. Dies wäre vor allem eine Aufgabe für infanteristische Verbände, welche eigentlich nur leicht ausgerüstet sein müssten. In Ergänzung dazu benötigte die Armee aber auch Verbände, welche rasch und hochmobil ein Schwergewicht bilden können, um vor Ort eine Entscheidung herbeizuführen. Dies werden auch in Zukunft eine Form der Panzertruppen sein. Ob das immer noch mit einem schweren Kampfpanzer wie dem Leopard der Fall sein wird, oder ob in absehbarer Zeit neue technische Systeme verfügbar sein werden, welche eine ähnliche Wirkung auf dem Gefechtsfeld erzielen können, wird sich zeigen. Die Fähigkeit der mobilen, geschützten Plattform zur Erbringung der Gefechtsleistung, wie das heute der Panzer ist, wird aber sicher auch zukünftig gefragt sein.
Was werden Ihre nächsten Stationen in Ihrer militärischen Laufbahn (beruflich und miliz)?
Beruflich habe ich dieses Jahr auf einer neuen Stelle in der Militärdoktrin im Armeestab begonnen. Als Projektleiterin für die Joint Doktrin darf ich dort meine Kenntnisse für die Entwicklung der Einsatzgrundlagen unserer Armee einbringen.
Meine Milizlaufbahn werde ich ab 2021 als Chefin Operationen im Heeresstab fortsetzen dürfen.
Portrait Oberstlt i Gst Christine Barbara Hug1980 in Kilchberg (ZH) geboren und aufgewachsen, hat sie in Basel das Realgymnasium absolviert und an der Universität Zürich den Master in Geschichte absolviert. Seit 2009 als Berufsoffizierin tätig, arbeitet sie heute im Armeestab als Projektleiterin Joint Doktrin. Ihre militärische Karriere begann sie als Panzersoldatin im Jahr 2000 und war in der Folge Pz Kpl und Pz Zfhr. Nach einem Einsatz im Kosovo 2006/2007 für den militärischen Nachrichtendienst, führte sie von 2008-2010 die Pz Kp 12/2. Nach Absolvierung des Generalstabslehrganges war sie im Stab der Pz Br 1 eingeteilt, bevor sie 2018 das Kommando über das Pz Bat 12 übernommen hatte. Sie lebt zusammen mit ihrer Partnerin und ihrer Tochter auf dem Bucheggberg (SO), gemeinsam mit ihren Pferden, welche die Freizeit der Familie massgeblich prägen. Neben militärhistorischen Reitwettkämpfen findet man sie aber auch oft im Militärmuseum Full-Reuenthal, wo sie sich insbesondere dem Erhalt und Betrieb der Museumspanzer widmet. |