Allzeit MANV-bereit
Würde ein Flugzeug über Davos abstürzen, oder sich ein anderes grosses Unglück, beispielsweise ein terroristischer Anschlag auf WEF-Teilnehmende ereignen, wäre das Spital Davos sehr schnell überlastet. Das sanitätsdiensliche Konzept des Kantons Graubünden rechnet dann mit einer sofortigen Unterstützung durch die Armee und deren Spezialisten. Dazu haben sie sich aufgestellt: Ein Augenschein im Rettungszentrum.
18.01.2023 | CUMINAIVEL | sf
Was klingt, wie Man(v)freds Kosename, ist das Schreckensszenario der Sicherheitsverantwortlichen: der MANV, kurz für «Massen-Anfall von Verletzten» – so viele, dass etwa das Davoser Spital sie nicht mehr alleine versorgen könnte. Für einen solchen Fall hat die Armee vorgesorgt und in einer Turnhalle im Raum Davos eine verstärkte Sanitätshilfsstelle (San Hist +) eingerichtet. Im Vergleich zu einer normalen San Hist hat sie nicht nur eine erhöhte Kapazität für Patientenbehandlungen, sondern beinhaltet auch eine vorgeschobene ABC-Patientendekontamination. «Sie ist eigentlich ein Überlaufbecken für das Spital Davos», erklärt Oberstleutnant Tobias Marthy. Er ist zum zweiten Mal Chef des militärischen Sanitätsdienstes am WEF und erklärt: «Bei einem Ereignis wird, wenn möglich, zuerst das Spital angefahren. Erst wenn dessen Kapazitätsgrenze erreicht ist, kommen wir von der Armee zum Zug.» Wann dieser Punkt erreicht ist, entscheide aber nicht das Militär, sondern das sogenannte «Blue Center», die Einsatzzentrale des zivilen Rettungsdienstes, so Marthy.
Triage in der Turnhalle
In der Turnhalle herrscht geschäftiges Treiben an diesem Nachmittag. Weisse Holzwände trennen die Halle in verschiedene Triage-Bereiche ab, zwei davon sind mit mehrstöckigen Sanitätsbahren ausgestattet. Sauerstoffgeräte und sanitarisches Verbrauchsmaterial sind fein säuberlich eingeräumt. Die Turnhalle gleicht schon fast einem voll ausgestatteten Spital, einfach in einem anderen Setting. Für die Führung wurde der Kommandoposten (KP) der San Hist in einem Geräteraum eingerichtet.
Leutnant Samuel Vögelis Kopf raucht. «Die Arbeit hier ist ein Prozess, der ununterbrochen läuft», meint der Sanitätsoffizier, eingeteilt bei der zuständigen San Kp. Er ist unter anderem für den Betrieb des Ärztezimmers, des Ruheraums und des Triage-Bereichs zuständig. Zudem hat er sich um das Materialmagazin (Mat Mag) zu kümmern. Urlaube koordinieren und Schichtpläne erstellen gehören ebenfalls zu Vögelis Aufgaben. «Trotz der vielen Arbeit kann ich gut schlafen, einfach sehr kurz», sagt er schmunzelnd. Er habe aber gute Stellvertretungen, die den Laden auch ohne ihn schmeissen könne. «Die Zusammenarbeit ist optimal», sagt Vögeli.
Weit mehr als nur eine San Hist
Das Rettungszentrum ist weit mehr als nur eine übliche Sanitätshilfsstelle. Daher wird sie als San Hist (Plus) bezeichnet. Vor der Turnhalle scheint eine ganze Zeltstadt aufgebaut worden zu sein. Es handelt sich dabei um die ABC-Dekontaminationsstelle, die der San Kp unterstellt ist und bei Verdachtsfällen Patienten vortriagieren kann. Weist ein Patient entsprechende Symptome auf, darf er nicht direkt in die San D Einrichtungen eingeliefert werden, sondern muss erst die verschiedenen Dekontaminationsstufen durchlaufen. Diese Detektion kann nur die Armee leisten.
Bereit für den MANV
Auch die Soldaten packen motiviert mit an. Sie sind dabei, die unterschiedlichen Behandlungszonen der San Hist aufzubauen und einzurichten. In der San Hist gibt es 4 Bereiche, T1–T4, in welchen die Verletzten anhand der Dringlichkeit ihrer Verletzungen behandelt werden. Im T1 können an unmittelbar lebensbedrohten Patienten Noteingriffe durchgeführt werden. Im Triage-Bereich T2, in dem Schwerverletze betreut und mit Infusionen versorgt werden, baut Soldat Janis Möckli zusätzliche Gestelle für die San-Barren auf. Es entstehen vier Stationen, die gewissermassen aus zwei Dreistockbetten bestehen.
Im T3 ist auch eine Behandlung von leichter verletzten Patienten über längere Zeit möglich. «Dass wir uns hier auf einen möglichen Ernstfall vorbereiten, ist spannend», sagt Soldat Möckli. «Es ist viel spannender, als wenn wir drei Wochen lang nur Ausbildungen haben.» Bleibt zu hoffen, dass der grosse MANV trotzdem ausbleibt.