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«Gemeinsam das Ziel vor Augen»

Oberstlt i Gst Michael Schäppi steht seit gut einem Jahr dem Infanteriebataillon 65 als Kommandant vor. Er sagt, er sei ein Pragmatiker. Das Gespräch mit dem dienstältesten «Skorpion».

15.01.2023 | CUMINAIVEL | mb

Es ist hektisch vor der Tür des Bataillonskommandanten (Bat Kdt). Mehrere Stabsangehörige stehen vor seinem Büro. Sie alle wollen etwas vom «Chef». Wir warten. Dann sind wir dran. Oberstlt i Gst Michael Schäppi nimmt sich Zeit für CUMINAIVEL. Er begrüsst uns, wir setzen uns, die Zeit ist knapp. Sofort beginnen wir.

Herr Kommandant, Sie sind gut drauf. Wie kommt es?

Es läuft. Meine Leute machen einen guten Job. Ich bin zufrieden und darum gut drauf. Es gibt nur wenige Tage, an denen ich schlecht gelaunt bin.

Sie schmunzeln…

Ja, ich freue mich. Schön, dass ihr da seid. Es passt grad viel zusammen.

Und wann passt es nicht?

Es ist wie überall, ob Armee oder irgendwo in der Privatwirtschaft. Es gibt sehr viele schöne Dinge, manchmal aber auch Sachen, die weniger schön sind.

Zum Beispiel?

Wissen Sie, als Chef geht so einiges über meinen Tisch. Sagen wir es so (lacht).

Braucht es in solchen Situationen auch manchmal eine gewisse Prise Humor?

Natürlich.

Was gehört zu den Aufgaben eines Bataillonskommandanten?

Der Bataillonsstab (Bat Stab) umfasst mehrere sogenannte Führungsgrundgebiete (FGG). Dazu gehören etwa Personelles, Nachrichtendienst, Führungsunterstützung, Einsatz und Logistik. Der Bat Stab ist somit die Schaltzentrale des Bataillons. Als Kommandant stehe ich dieser Schaltzentrale vor, führe unter anderem den Stab sowie die Kompaniekommandanten und schaffe möglichst gute Voraussetzungen, damit unsere Aufträge erfüllt werden. Hinzu kommt der ständige Kontakt mit meinen vorgesetzten Stellen.

Wer?

Hier am WEF sind das beispielsweise der Chef Einsatz oder Kommandanten von Einheiten, Verbänden oder der Division.

Und konkret das Inf Bat 65? Wie ist Ihr Bataillon aufgestellt?

Wenn wir uns Organigramm und Struktur anschauen, dann stehe ich als Bat Kdt über allem drüber. Mir untersteht ein Stab. Dort laufen die Fäden zusammen. Im Stab haben wir die Übersicht, machen Lagerapporte, führen Variantenplanungen durch, unterstützen unsere Einheiten draussen auf dem Feld logistisch und führungstechnisch. Es ist wie mit dem Wein: Der Boden sorgt für die besten Trauben.

Ein schöner Vergleich. 

Danke (lacht).

Und weiter? Wir haben erst über den Stab gesprochen.

Es folgen eben die Einheiten draussen auf dem Feld. Konkret sind dies unsere Kompanien. Während des Assistenzdienstes zugunsten der Sicherheit am WEF sind die Kompanien über den gesamten Einsatzraum verteilt. Wir haben drei Infanteriekompanien, eine Unterstützungskompanie sowie die Stabskompanie. Zusätzlich, und das ist speziell hier am WEF, sind uns ein Hundeführerdetachement sowie eine Militärpolizeikompanie unterstellt.

Wow, und da haben Sie jederzeit den vollen Durchblick?

Ich habe sehr gute Leute bei mir im Stab. Auch meine Kompaniekommandanten machen top Arbeit. Es kommt auf die Zusammenarbeit an. Einzelkämpfer haben in der Armee keine Chance. 

Sie sind also ein Teamplayer?

Durch und durch. Wenn ich kein Teamplayer wäre, wäre ich nie Bataillonskommandant geworden. 

Welche Fähigkeiten sind als Bat Kdt sonst noch gefragt?

People Skills! Ich führe erwachsene Menschen, die ihr Geld nicht in der Armee verdienen. Ich führe Familienväter, die lange Zeit von zuhause weg sind. Ich führe Menschen mit ihren unterschiedlichsten Lebensgeschichten. Für drei bis vier Wochen im Jahr bin ich ihr militärischer Vorgesetzter. Dafür braucht es neben Umsicht auch Weitsicht, es braucht Empathie, Verständnis und Achtsamkeit. 

Haben Sie da manchmal Berührungsängste?

Nein. Ich gehe auf meine Leute zu und frage, wie es ihnen geht. Oft reicht ein offenes Ohr und ein verständnisvoller Blick.

Trotzdem: Welche Situationen sind für Sie die schwierigsten?

Wenn Menschen zu Schaden kommen, sei es körperlich, seelisch oder psychisch. Grund können beispielsweise Schicksalsschläge oder Unfälle sein. Ich sage immer: Wenn es nur beim Blechschaden bleibt, ist es halb so schlimm. Sachen können repariert werden, Menschen nicht immer.

Da haben Sie recht. Kommen wir zu einem Moment, der Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist. Welcher ist es?

Oh, da gibt es ganz viele Momente. Ich durfte in meinem Leben sehr viele schöne Situationen erleben, militärisch aber auch privat. Vielleicht kann ich es so sagen: Die schönen Momente ergeben sich in der Begegnung mit Menschen. Im Gespräch lernt man sich besser kennen und verstehen. Da ergeben sich ganz tolle Momente. Wenn ich jetzt einen spezifisch militärischen Moment auswählen muss, dann ist es die erste Fahnenübernahme, die ich als Kommandant meines Bataillons erleben durfte. Ich erinnere mich gut, als sich das Bataillon auf dem Waffenplatz St. Luzisteig aufgestellt hat. Das war schon sehr bewegend. 

Und emotional?

Ja. Da gehen so viele Bilder durch den Kopf. Alles, was ich schon erleben durfte. Und dann stehst du da auf dieser Wiese, als Chef eines Bataillons. Das ist schon sehr emotional. Gleichzeitig spürte ich meine Verantwortung gegenüber den Armeeangehörigen, und auch mir gegenüber. Es ist kein Geheimnis: Auf den Schultern eines Bataillonskommandanten liegt viel Last. Trotzdem: Ich übe meinen Job mit grosser Freude und Begeisterung aus. Ich hoffe, dass ich dies auch weitergeben kann.

Und was unterscheidet der Dienst am WEF von «normalen» Wiederholungskursen?

Es ist ernst. Hier am WEF können wir nicht einfach sagen: Übung halt und das ganze noch einmal. Was wir hier machen, muss sitzen. Dafür müssen wir dynamischer sein als in einem üblichen standardisierten WK. Wir arrangieren uns vollkommen einsatzbezogen.

Eine ganz andere Frage: Was ist Ihnen das Wichtigste?

Meine Familie. Sie ist mein Lebensmittelpunkt. 

Mit was kann man Sie begeistern?

Zum Beispiel mit Musik oder mit der Natur. Dort halte ich mich gerne auch mal alleine auf. Die Natur gibt mir den nötigen Ruhepol. Das brauche ich als Ausgleich zu meinem Job, der sehr fordernd ist. Und mit einem Ovo-Riegel aus der Zwipfkiste (lacht).

Trennen Sie Ihr privates Leben von Ihrem Job im Militär oder geht beides ineinander?

Wissen Sie, es ist völlig egal, ob in Militäruniform oder mit Pullover und Jeans. Dahinter befindet sich der gleiche Mensch. Wenn ich am Morgen zuhause meine Uniform anziehe und zur Arbeit gehe, bleibe ich Michael Schäppi. Ich bin die gleiche Person, ob bei der Arbeit, im Militär oder in meinem privaten Umfeld. Ich bin ich. Alles andere wäre Schauspielerei.

Manchmal hat man aber das Gefühl, dass sich der Mensch verändert, sobald er Uniform trägt…

Solche Menschen sollten sich in Selbstreflektion üben. 

Eine präzise Antwort.

Das passt zu mir.

Wie meinen Sie das?

Ich spreche die Sachen direkt an und habe meine Meinung, ohne andere Ansichten nicht zulassen zu wollen. Ich bin offen.

Es wird gesagt, Sie seien auch eine sehr pragmatische Person. Stimmt das?

Von wem haben Sie das gehört?

Quellenschutz!

(lacht). Sie haben recht. Ich bin ein vorbereiteter Pragmatiker.

Pragmatiker sind oft im Vorteil, nicht?

Ja, das stimmt. Ich habe jedenfalls mit Pragmatismus gute Erfahrungen gemacht, auch wenn dies im Militär mit den einzuhaltenden Dienstwegen nicht immer ganz einfach ist.

Das heisst, Sie halten sich nicht immer an den Dienstweg?

Doch (lacht).

Eine authentische Antwort. Sie sind ja auch ein authentischer «Skorpion»... 

Durch und durch. Mein militärischer Werdegang ist geprägt vom Inf Bat 65, also von den Skorpionen. 2004 war ich Zugführer der Kompanie 65/2, anschliessend deren Kommandant. Danach machte ich die Generalstabsausbildung und kam dann als Bat Kdt zurück in meine militärische Heimat, also ins 65zgi zu den Skorpionen. Es ist für mich daher eine grosse Ehre, dieses Bataillon führen zu dürfen. 

Als oberster «Skorpion»…

Ja, und auch als dienstältester Skorpion (lacht).

Was erwarten Sie hinsichtlich des laufenden Assistenzdienstes am WEF von Ihren Skorpionen?

Ich erwarte, dass wir miteinander diesen Dienst absolvieren. Ich erwarte, dass wir uns helfen und unterstützen. Ich erwarte, dass wir einander Sorge tragen und damit Unfälle verhindern können. Und ich erwarte, dass der Fokus auf unserem Auftrag liegt. Unsere Aufgabe ist es, zu erfüllen. Gemeinsam das Ziel vor Augen. Das werden wir tun, alle zusammen.

Und dann gehen wir nach Hause.

Ja, dann gehen wir nach Hause, zurück in das zivile Leben, zurück zu unseren Familien. 

Herr Bataillonskommandant, besten Dank für dieses Gespräch.

Ich habe zu danken, und den Skorpionen sowie allen für das WEF im Einsatz stehenden Armeeangehörigen wünsche ich alles Gute!


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