«Bereit sein für den Ernstfall, der hoffentlich nie eintritt»
Während des WEF ist Davos gut gefüllt mit Menschen. Leute aus Politik und Wirtschaft, Unternehmer, Networker, Polizisten, Armeeangehörige und Einheimische. Sie alle bewegen sich auf engem Raum. Im Worst-Case-Szenario gilt es, so rasch als möglich Hilfe leisten zu können. Diese Hilfe kommt unter anderem von der Sanitätshilfsstelle und von der ABC-Abwehr.
30.05.2022 | CUMINAIVEL | kh
Im Fokus steht der Patient
Die Sanitätshilfsstelle (San Hist) ist in einer Halle in Davos eingerichtet. «Wir nennen es die Version ‘Casa’», sagt Oblt Gertsch und ergänzt: «In der Halle wurde sogar ein Arzt-Visitenraum eingerichtet.» Gertsch ist Chef Einsatz der im Dienst stehenden Sanitätskompanie. Bei der Einrichtung der Halle seien ganz bewusst die Bedürfnisse der zivilen Einsatzkräfte berücksichtigt worden. Dazu gehöre unter anderem, dass die Checklisten für die Medikamente von den zivilen Partner erstellt worden seien, so Gertsch. Die Medikamente seien mit der richtigen Menge am richtigen Ort verteilt. Das optimiere die Effizienz bei der Betreuung und Behandlung der Patienten. Grundsätzlich sei die ganze San Hist dem Patientenfluss angepasst.
Hand in Hand mit den zivilen Einsatzkräften
Es fällt auf, dass die San Hist ein wenig anders daherkommt, als sonst üblich im Militär. So wird etwa das Kader von zivilen Notärzten unterstützt. Der Leitende Notarzt kontrolliert die Bereitschaft der Hilfsstelle und zeigt Verbesserungspotenziale auf. Rettungssanitäter trainieren zusammen mit Sanitätssoldaten den Ernstfall. Es werden Fachbegriffe wie etwa «Junctional bleeding», «Chest seal» und «Notkoniotomie» gemeinsam auf Augenhöhe besprochen und thematisiert. Die gemeinsame Ausbildung leiten Spezialisten der Polizei und der Schweizerischen Vereinigung für Taktische Medizin (SVTM).
Für Bettina Moser vom Rettungsdienst des Kantons St. Gallen ist insbesondere der gemeinsame Austausch am WEF spannend. Ansonsten gebe es nur wenige Berührungspunkte zwischen den zivilen Rettungsdiensten und der Armee. Moser erhofft sich aus dieser Zusammenarbeit eine klassische Win-win-Situation. Und ihre Mitarbeiterin, Nora Zink, ergänzt: «Ich finde die Zusammenarbeit mit der Armee höchst interessant. Die Sanitätsdienste der Armee arbeiten effizient und erzielen schnelle Fortschritte. Es ist eine echte Bereicherung, mit den Armeeangehörigen zusammenarbeiten zu dürfen.»
Stresstest für die San Hist
In der San Hist werden regelmässige Einsatztrainings durchgeführt, um die Bereitschaft überprüfen zu können, sagt Oblt Gertsch. Das letzte Controlling habe gezeigt, dass die Einsatzbereitschaft bei 99 Prozent liegt. Die beanstandeten Punkte seien mittlerweile korrigiert. Hier verweist Gertsch zudem auf stattgefundene Simulationen in den vergangenen Jahren. So habe etwa eine Simulation im Jahr 2020 gezeigt, dass bei vollem Durchlauf rund 50 Patienten pro Stunde behandelt werden könnten. Zudem habe im laufenden Jahr ein sogenanntes «Wargaming» mit der Polizei stattgefunden. Dabei seien verschiedene Szenarien durchgespielt worden. Man habe erkannt, welches die wichtigen Schnittstellen in der Zusammenarbeit von zivilen Blaulichtorganisationen und der Armee sind. Weiter habe diese Übung aufgezeigt, in welchen Bereichen die gemeinsame Arbeit verbessert werden muss.
Modernste Technologien unterstützen den reibungslosen Ablauf
Kommt es zu einem Massenanfall von Verletzten, zählt jede Sekunde. Zivile Einsatzteams erfassen auf dem Schadenplatz die persönlichen Angaben des Patienten und führen eine sogenannte «Damage-Kontrolle» durch. Sie beinhaltet unter anderem Blutungskontrollen, Dekontaminationen und Dekompressionen (Druckentlastung) im Bereich zwischen Brustkorb und Becken. Bei der «Damage-Kontrolle» werden die Patienten bereits anhand der zugeführten Verletzungen triagiert. Sie erhalten den Status «T1» bei lebensbedrohlichen, den Status «T2» bei mittelschweren und den Status «T3» bei leichten Verletzungen. All diese Informationen werden in einem digitalen Patientendossier abgelegt. Dafür lesen die Sanitätssoldaten beim Eintreffen des Patienten in der San Hist mittels Scanner einen QR-Code ab. Gfr Wilhelm bestätigt die Einsatztauglichkeit dieses Systems: «Es ist eine super Sache.»
ABC-Mittel - nachweisen und bekämpfen
Neben der San Hist haben die ABC-Abwehrtruppen ihre Zelte aufgeschlagen. Rund ein Dutzend Spezialisten steht rund um die Uhr für einen potenziellen Notfall bereit. In einer Notfallsituation ist es essentiell, dass die Kampfstoffe so rasch als möglich nachgewiesen werden. Dazu stehen der Truppe modernste Arbeitsmittel wie etwa die «RA04 Ceberus Sonde» und das «Gefahrenstoffnachweisgerät GENAG 20» zur Verfügung. Es kann ohne die notwendige Verfügbarkeit von Stromquellen eingesetzt werden. Zudem unterscheidet sich diese Methode grundlegend von der elektronischen Messmethode und dient als «unabhängige Zweitmeinung». Lt Manyak ergänzt: «Wir haben bei den ABC-Abwehrtruppen den Vorteil, dass wir über modernstes Material verfügen.» Das zeige sich beispielsweise bei den Zelten sowie bei den Analysegeräten. «Mit dem neuen GENAG 20 haben wir das ganze Einsatzspektrum abgedeckt. Ich und meine Kameraden sind sehr gut ausgebildet. Wir können alle Nerven-, Haut- und Blutgifte nachweisen.» Auf die Frage, ob er und seine Soldaten bereit sind, antwortet Lt Manyak ohne zu zögern: «Klar, zu 100 Prozent.»
Besuch in der Sanitätshilfstelle