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Digitaler Fahrzeugcheck und Live-Reparatur auf Distanz

Wenn sich Fahrer, Truppenhandwerker, Instandhalter, Digitalisierungsspezialisten und Projektleiter treffen, ist Zukunft im Anmarsch. Milizangehörige des Logistikbataillons 101 testen Mitte Juni mit Spezialisten des Armeelogistikcenters Hinwil eine App für den Parkdienst und eine Kamera-Brille für eine 1:1-Reparatur auf Entfernung. Mehr Sicherheit, mehr einsatzbereite Systeme und mehr Effizienz sind die positiven Folgen.

17.06.2022 | Kommunikation Verteidigung, Gaby Zimmer

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Stefan Baer, Automobildiagnostiker im ALC-H freut sich, dass die kleinen Mängel direkt, live und durch die Truppe behoben werden können. ©VBS/DDPS: Gaby Zimmer

«Wir wollen prüfenswerte Ideen – also solche mit Mehrwert für die Truppe – innert weniger Monate einführen. Unsere Anwenderinnen und Anwender zeigen uns, ob wir die Idee weiterverfolgen oder verwerfen. Wir beginnen klein und mit Industriestandard. Was sich bewährt, setzen wir breiter um», betont Oberstleutnant im Generalstab Dominik Winter, Verantwortlicher der Strategischen Initiative «Innovation». Statt Ideen mit Konzepten und langwierigen Genehmigungsverfahren totzuschlagen oder so lange zu perfektionieren, bis die neu einzuführenden Anwendungen längst überholt sind, sollen die künftigen Verantwortlichen der Truppe und des Betriebs beurteilen, was ihnen ihre Aufgaben erleichtert und was nicht. So geschehen Mitte Juni im Armeelogistikcenter Hinwil (ALC-H), wo sich Fahrer und Truppenhandwerker des Logistikbataillons 101 (Log Bat 101) sowie Spezialisten der Werkstatt dem Test gestellt haben.

Selbstständiger Fahrzeugcheck per App

Digitale Onlinetouren durch Museen erfreuen sich grosser Beliebtheit. Warum nicht eine digitale Führung durch den vorgeschriebenen Parkdienst? Patrik Wolf, Elektroingenieur-Student an der ETH Zürich, lädt sich die App auf sein Smartphone. Alle notwendigen Checks am Duro absolviert er damit flink – und erfolgreich. Obwohl ihm das Fahrzeug nicht vertraut ist, findet er mühelos alle Prüfpunkte und kann am Soll-Ist-Vergleich erkennen, was nicht stimmt. Er resümiert: «Die Rekrutenschule habe ich 2017 absolviert. Damals gab es diesen modernisierten Duro noch nicht. Meine vier letzten WK habe ich wegen des Studiums verschieben müssen. Diese digitale Führung hilft mir enorm. Bilder zeigen mir die richtigen Stellen am Fahrzeug. Defekte konnte ich fotografieren und uploaden. So kann ich effizient und selbstständig arbeiten und auch die Verantwortung tragen.»

Soldat Luca Staub ist im Strassenbau und als Chauffeur tätig und absolviert ebenfalls seinen ersten WK. Weil letztes Jahr in der Rekrutenschule war, ist ihm der modernisierte Duro bekannt. Doch hat er nur im Militärdienst Berührungen mit militärischen Fahrzeugen. «Die App ist verständlich aufgebaut, der Ablauf ist einfach und macht die Aufgabe attraktiver. Weil die App auf meinem eigenen Handy läuft, ist mir die Bedienung vertraut. Das hilft, die Aufgabe seriöser zu erfüllen und erhöht damit die Sicherheit», sagt er.

Reparatur auf Distanz erfolgreich

Marcel Züllig ist seit vier Jahren im ALC-H als Instandhalter tätig. Er bringt als ehemaliger Mitarbeiter des Fahrzeugherstellers Mowag breite Kenntnisse über das geschützte Mannschaftstransportfahrzeug (GMTF) mit – und Spezialwissen für dieses bei den Kampftruppen verbreitete System. Deshalb ist er seit Beginn der Anwendertests dabei. «Von Versuch zu Versuch sind die Rückmeldungen der Anwender umgesetzt worden, das ist faszinierend. Die jungen Soldaten beteiligen sich engagiert und reagieren begeistert», freut sich Züllig. Dass sie Apps auf das persönliche Handy laden müssen – kein Problem? «Im Gegenteil», lacht Züllig, «die Jungen haben heute statt Kugelschreiber ihr Handy im Sack und sind froh um jede Gelegenheit, es zu benützen.»

Stefan Baer, Automobildiagnostiker und stellvertretender Lehrlingsmeister im ALC-H ist wie die Fahrer und Truppenhandwerker des Log Bat 101 das erste Mal dabei. Er hat sich ebenso schnell zurechtgefunden, wie seine uniformierten Kollegen. Diesen hilft er über Bildschirm und Mikrofon per Ferndiagnose kleine Defekte im Fahrzeug direkt zu beheben. Die Bilder auf seinem Screen stammen vom Headset des Truppenhandwerkers und werden live übertragen. Kamera und Mikrofon schaffen Nähe, trotz Distanz. «Der Anlasser geht nicht», klingts ins Büro des Automobildiagnostikers. «Spannung überprüft? Sicherungen richtig gesetzt» fragt er in die Werkstatt zurück. «Womit und wo?», kommt die Antwort. Geduldig führt Baer seinen jungen Kameraden durch die inneren mechanischen Geheimnisse im Duro. Dank der Kamera sind schnell präzise Korrekturen möglich. Im Nu ist der kleine aber wesentliche Defekt behoben, der Duro springt an.

Truppenhandwerker Marco Storchenegger ist begeistert. Zwar ist der gelernte Automobilmechatroniker auch zivil im Beruf tätig, aber der Duro ist ihm nicht geläufig. «Der 1:1-Teamkontakt samt Anleitung des Spezialisten haben mir geholfen, rasch ein kleines Problem zu lösen. Das unterstützt mich sowohl in der Truppenwerkstatt wie auch im Feld. Schliesslich sind die Spezialisten des Armeelogistikcenters nicht innerhalb weniger Minuten vor Ort – digital nun schon», sagt er.

Einsatzbereitschaft und Individualität erhöhen

«Viele Truppenhandwerker arbeiten nur am Rande in diesem Beruf und haben 49 Wochen im Jahr keine Berührung mit militärischen Fahrzeugen. Der kleinste Defekt führt dazu, dass ein Fahrzeug nicht mehr einsatzbereit ist. Dabei wäre es mit wenigen Handgriffen im Nu wieder fahrbar, denn rund 60 Prozent der Defekte sind Kleinigkeiten. Sie führen zu einer Reparaturetikette und zur vorübergehenden Stilllegung des Systems», sagt René Zwahlen. Der Stellvertreter des Chefs ALC-H und interne Projektleiter dieser digitalen Versuche will «seine» Fachspezialisten für die erheblichen Mängel freihalten und nicht mit Nebensächlichkeiten absorbieren. «Wenn mehr Systeme schon im WK repariert werden, stehen sie für die nächsten Einsätze wieder nahtlos zur Verfügung. Das senkt die Kosten und steigert die Einsatzbereitschaft der Armee», sagt Zwahlen.

Frank Seifert ist der externe Projektleiter und Digitalisierungsfachmann im Innovationsteam. Er hat aus diesen Anwendertests jeweils wertvolle Rückmeldungen erhalten und dabei ebenfalls erkannt, dass Nebensächlichkeiten oft wichtig sind. «Jemand schwitzte stark und hatte Mühe mit dem Sitz des Stirnbands. Jemand anderes scheiterte zu Beginn mit der Einstellung der eigenen Sehkorrektur, was bei der Präzision der Kameradarstellung bedeutend ist.» Seifert freut sich über die vielen individuellen Rückmeldungen, um Standards aus der Industrie für viele einfach nutzbar zu machen. «Die Gesellschaft, also auch die Milizarmee, besteht aus Individuen und digitale Produkte bieten verschiedene Einstiegspunkte damit jeder zurechtkommt – ganz im Gegensatz zu Papier.»

Anwendertests mit dem Geb Inf Bat 48

Im Rahmen der Vorbereitungen für den Einsatz zugunsten des World Economic Forums (WEF) haben auch Fahrer und Truppenhandwerker des Gebirgsinfanteriebataillons 48 die App und die Ferninstandhaltung mit Brille, Kamera und Mikrofon getestet. 

PIO Geb Inf Bat 48, Kevin Hofstetter.


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