Mit TikTok in die Rekrutenschule eintauchen
Die Infanterieschule 11 ist seit knapp einem Jahr auf der Social-Media-Plattform TikTok aktiv. Den Verantwortlichen ist es gelungen, innert kurzer Zeit eine hohe Anzahl an Menschen zu erreichen und ihnen den Alltag in der Rekrutenschule näherzubringen. Durch TikTok kann die Armee mit einem jungen Publikum in den Austausch treten und Hürden abbauen.
27.10.2023 | Kommunikation Verteidigung, Michael Senn

Innert weniger Sekunden wechseln sich Aufnahmen von Infanteristen im vollen Sprint, ohrenbetäubenden Maschinengewehrsalven und aufrückenden Radschützenpanzer ab – Die Infanterieschule 11 nimmt ihre Follower auf der Social-Media-Plattform TikTok auf den Waffenplatz Walenstadt mit. Das Kurzvideo zeigt die gesamte Action, die sich während der Übung «Gegenstoss» in der 15. Woche der Rekrutenschule (RS) abspielte. Durch qualitativ hochstehende Produktionen wie diese erhalten interessierte Personen authentische Einblicke in den Alltag der Soldatinnen und Soldaten. Dabei hat es nicht nur Platz für actiongeladene Videos, es werden auch militärische Funktionen vorgestellt, Einblicke in die Küche gewährt oder das Thema Frauen in der Armee diskutiert.
Anfängliche Skepsis weicht der Begeisterung
Der TikTok-Account wurde mit dem ersten RS-Start im Januar dieses Jahres lanciert. Inzwischen folgen rund 8'500 Leute der Schule, deren Kommando sich in St. Gallen befindet. Einer, der grossen Anteil an diesem Erfolg hat, ist Stabsadjutant Leo Menz. «Als ich zum ersten Mal davon erfuhr, dass unsere Schule für einen Pilotversuch vorgesehen war und auf TikTok aktiv werden sollte, war ich sehr skeptisch eingestellt», sagt der erfahrene Unteroffizier. «Nach einem langen Gespräch erkannte ich die Absicht und die vielen Vorteile, welche diese Plattform bietet und konnte meine Scheuklappen ablegen.»
Schnelles Wachstum und reger Austausch
Einer dieser Vorteile ist, dass auch neue Profile, die noch nicht über viele Follower verfügen, eine grosse Anzahl an Personen erreichen können. So wurde gleich das erste Video der Infanterieschule mehr als 180’000-mal wiedergegeben, was zu einem schnellen Wachstum des Profils beitrug. Zudem ist auf TikTok diejenige Altersgruppe, die aus Sicht der Armee für die Rekrutierung interessant ist, stark vertreten. Dass diese Zielgruppe reges Interesse am Gezeigten hat, spiegelt sich nicht zuletzt in den zahlreichen Kommentaren wider. «Das Feedback, das wir erhalten, ist grossmehrheitlich positiv. Die Leute können uns kontaktieren und wir können ihre Fragen beantworten, was sehr geschätzt wird», sagt Stabsadjutant Menz.
Direkt aus der Truppe
In der Infanterieschule 11 erstellen zwei Soldaten die Videos und posten sie in regelmässigen Abständen. Die beiden Social-Media-Verantwortlichen haben sich in einem Bewerbungsverfahren gegen zahlreiche ihrer Kameradinnen und Kameraden durchgesetzt. Sie kümmern sich vom Konzept bis zur Umsetzung um den gesamten Prozess. Zu Beginn ihrer Rekrutenschule haben sie unter der Leitung des Kommando Ausbildung und der Kommunikation Verteidigung eine Schulung absolviert, während der sie über ihre Pflichten, Rechte und administrative Prozesse unterrichtet worden sind. Zu den Pflichten gehört unter anderem das Einhalten von Grundsätzen der Geheimhaltung und der Datensicherheit, die im militärischen Kontext von grosser Bedeutung sind.
Indem die beiden Soldaten die Rekrutenschule hautnah miterleben, können sie echte Erlebnisse teilen. So können angehende Rekrutinnen und Rekruten Einblicke gewinnen, die ohne soziale Medien nicht möglich wären.

Capstone-Projekt
Das Kommando Ausbildung ist einer von mehreren Praxispartnern der Universität St. Gallen, die sich für das sogenannte Capstone-Projekt zur Verfügung stellen. Im Rahmen dieses Programms können Bachelorstudierende ihr theoretisches Wissen in der Praxis anwenden und zur Lösung eines realen Problems einer Unternehmung beitragen.
Wie sieht das Kommunikationsangebot der Armee aus? Welchen Informationsbedarf haben Jugendliche vor ihrer Rekrutierung? Und wie kann man Angebot und Nachfrage besser in Einklang bringen? Diesen Fragen haben sich vor zwei Jahren Studentinnen und Studenten der Universität St. Gallen angenommen.
Um die Bedürfnisse der Zielgruppe zu erkennen, führten die Studentinnen und Studenten eine gross angelegte Umfrage durch. Sie zeigte deutlich auf, dass sich die Befragten mehr Videoinhalte wünschten, die sich um die vier meistgenannten Themen Disziplin, Kameradschaft, Helfen und Selbstentwicklung drehen sollen. Wenig überraschend wurden Soziale Medien als die am meisten genutzten Plattformen genannt. In der Capstone-Studie zu den Kommunikationsinhalten der Schweizer Armee aus dem Jahre 2021 wurden mehr als 5'000 Jugendliche aus Berufs- und Mittelschulen befragt, um die Erwartungen der Zielgruppe zu eruieren.
Dazu arbeitete der von Korpskommandant Hans-Peter Walser geführte Milizstab des Kommando Ausbildung ein Jahr lang intensiv mit der Uni St. Gallen und den Bachelorstudentinnen und -studenten zusammen, was schliesslich zum beschriebenen Pilotprojekt führte, in dem verschiedene Rekrutenschulen ihre Social-Media-Präsenz aufbauten und nun weiterhin pflegen.