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Die Schweizer Armee stärkt ihre Verteidigungsfähigkeit

Um die Schweiz und deren Bewohner auch in Zukunft schützen zu können, muss die Armee ihre Verteidigungsfähigkeit in allen Wirkungsräumen konsequent stärken. Mit welchem Ziel und welcher Strategie sie dies tun wird, hat die Armeeführung schriftlich festgehalten. Der Bericht definiert drei Stossrichtungen – und nennt die Kosten.

17.08.2023 | Kommunikation Verteidigung, Roland Studer

©VBS/DDPS

1991 zerfiel die Sowjetunion und mit ihr das als Warschauer Pakt bekannte Militärbündnis des Ostblocks. Damit endete die Gefahr des Kalten Krieges, für Europa begann eine dreissig Jahre lange Epoche politischen Friedens.

In der Schweiz begannen drei Jahrzehnte, in denen die Politik die Armee in mehreren Reformen weitgehend betriebswirtschaftlich reorganisieren liess. Sie kürzte deren Budget, minimierte den Sollbestand auf 100’000 Angehörige, richtete den Kernauftrag vom Abwehren bewaffneter Angriffe auf subsidiäre Unterstützung ziviler Behörden aus und beschränkte die militärischen Fähigkeiten auf den Erhalt der Kompetenzen. Das hat das Können der Armee nicht reduziert, aber ihre Wirksamkeit und ihre Durchhaltefähigkeit beschränkt.

Militärisches Potenzial und Technologie

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat im Februar 2022 den Frieden beendet und damit die Sicherheitslage in Europa grundlegend verändert. Sie wird unbeständig, unberechenbar und latent gefährlich bleiben – auch für die Schweiz.

Diese Gefahr basiert auf zwei wesentlichen Komponenten: Zum einen ist das militärische Potenzial in Europa nach wie vor in grosser Menge vorhandenen. Zum andern entwickelt sich die Technologie immer schneller, was wiederum Innovationen von Aufklärungs- und Waffensystemen beschleunigt.

Drei strategische Stossrichtungen

Auf die veränderte Sicherheitslage und die Bedrohungen der Zukunft richtet sich die Schweizer Armee aus, wie dies Punkt 5 «Den Bedrohungen voraus» der Vision 2030 festhält – wobei der Krieg in der Ukraine die Dringlichkeit erhöht hat. Um ihren Auftrag, das Land und dessen Bewohner zu schützen, weiterhin erfüllen zu können, muss die Armee ihre Verteidigungsfähigkeit in allen Wirkungsräumen (Boden, Luft, Cyberraum, elektromagnetischer Raum, Weltraum, Information) umfassend, zeitgemäss und vor allem konsequent stärken. Mit welchem Ziel und welcher Strategie sie dies zu tun gedenkt, hat die Armeeführung in einem Bericht festgehalten, der drei Stossrichtungen definiert.

Die Schweizer Armee will:

1.  ihre militärischen Fähigkeiten adaptiv entwickeln

  • Um dem raschen Wandel des Umfelds und der unberechenbaren Sicherheitslage gerecht zu werden.
  • Um in überschaubaren Schritten zu lernen und sich flexibel zu entwickeln.
  • Um ihre Leistung als Gesamtsystem zu erhalten, während sie sich entwickelt.

2.  die Chancen des technologischen Fortschritts nutzen

  • Um ihre Leistung insgesamt zu erhöhen, indem sie umfangreichere und qualitativ bessere Lageinformationen beschafft, Wissens- und Entscheidungsvorsprung gegenüber Gegnern erlangt sowie auf grössere Distanz schneller und präziser wirkt.
  • Um die Risiken der Armeeangehörigen in Kampfeinsätzen zu reduzieren.
  • Um ihre Prozesse mit Digitalisierung, Robotik und künstlicher Intelligenz zu optimieren, wodurch sie ihre Ressourcen effizienter oder anderweitig einsetzen kann.

3.  die internationale Zusammenarbeit verstärken

  • Um von Erfahrungen und Standards anderer Streitkräfte zu profitieren und mit eigenen Fähigkeiten einen Beitrag zur Sicherheit in Europa zu leisten.
  • Um zusätzliche Möglichkeiten zu eröffnen, besonders beim Training und bei den Beschaffungen.

Rund 13 Milliarden für den ersten Schritt

Der Krieg in der Ukraine hat dieses Zielbild und die Strategie der Schweizer Armee bestätigt. Allerdings benötigen Streitkräfte erfahrungsgemäss rund zehn Jahre, um sich aufgrund einer veränderten Sicherheitslage personell, materiell und technisch nach- und aufzurüsten. Dies wird militärisch Aufwuchs genannt.

Der geschätzte Finanzbedarf für den gesamten Aufwuchs der Schweizer Armee wird über 40 Milliarden Franken betragen. Hinzu kommen Kosten für zusätzlichen Vorrat an Munition, Betriebsstoffen und Ersatzteilen.

Der erste Schritt des Aufwuchses wird Investitionen von rund 13 Mrd. Franken benötigen und bis in die 2030er-Jahre dauern. Dies bedingt jedoch, dass der Bundesrat das Budget der Armee bis spätestens 2030 schrittweise auf 1 Prozent des Bruttoinlandprodukts anhebt, wie dies das Parlament im Herbst 2022 beschlossen hat.

Fähigkeiten ausbauen, Lücken schliessen

Je früher die zusätzlichen Finanzmittel zur Verfügung stehen, desto schneller kann die Armee ihre Verteidigungsfähigkeit erlangen, indem sie ihre Fähigkeiten ausbaut, Fähigkeitslücken früher als geplant schliesst und bestehende Fähigkeiten erhält. Diese drei Komponenten erhöhen die abwehrende Wirkung der Armee und verlängern damit ihre Durchhaltefähigkeit.

Für welche Fähigkeiten, Mittel und Systeme die Armeeführung das Zusatzbudget einsetzen will, steht im Bericht «Zielbild und Strategie für den Aufwuchs» und im Investitionsplan der Armee bis 2035, der im Internet zugänglich ist. Die erforderlichen Verpflichtungskredite beantragt das VBS jährlich beim Bundesrat und Parlament mit der Armeebotschaft.

Die Sicherheitspolitik weist den Weg

Auch die politischen Grundlagen des Aufwuchses der Armee liegen vor: Am 24. November 2021 hat der Bundesrat den Sicherheitspolitischen Bericht (Sipol B) 2021 veröffentlicht, der die Leitplanken für die künftige Ausrichtung der Armee absteckt. Am 7. September 2022 hat der Bundesrat einen Zusatzbericht zum Sipol B 2021 verabschiedet, der anhand der Erkenntnisse aus dem Krieg in der Ukraine zum Schluss kommt, dass die Modernisierung der Fähigkeiten vorangetrieben, die finanziellen Mittel der Armee erhöht und die Verteidigung konsequenter auf internationale Zusammenarbeit ausgerichtet werden sollen. Diese beiden Berichte geben der Armee die Richtung in die Zukunft vor.


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