70 Jahre militärische Friedensförderung der Schweizer Armee
Mit der Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens zwischen Nord- und Südkorea am 27. Juli 1953 und der darauffolgenden Entsendung von zum Selbstschutz bewaffneten Schweizer Soldaten in diese Region nahm die militärische Friedensförderung der Schweizer Armee ihren Anfang. Seit nunmehr 70 Jahren leisteten bereits knapp 14'000 Armeeangehörige zugunsten dieses Armeeauftrags in unterschiedlichen Missionen weltweit einen Einsatz. Seither hat sich die militärische Friedensförderung stetig weiterentwickelt – aktuell engagieren sich rund 280 Frauen und Männer in 19 Ländern zugunsten des Friedens.
27.07.2023 | Kommunikation SWISSINT, Daniel Seckler

Nach drei Jahren und fast vier Millionen getöteten Zivilisten und Soldaten unterzeichneten die Konfliktparteien des Koreakriegs am 27. Juli 1953 ein Waffenstillstandsabkommen. Die Verhandlungen dazu hatten bereits im Juli 1951 gestartet. Der schweizerische Bundesrat befasste sich erstmals im Dezember 1951 mit einer allfälligen Entsendung von Armeeangehörigen nach Korea, nachdem er eine formelle Anfrage des Aussenministeriums der USA erhalten hatte. Mit der Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens war es dann definitiv: Der Bundesrat schickte 146 zum Selbstschutz bewaffnete Soldaten auf die koreanische Halbinsel, welche sich an den im Abkommen definierten Kommissionen beteiligten – der "Neutral Nations Repatriation Commission (NNRC)", mit dem Ziel die Rückführung von Kriegsgefangenen zu kontrollieren, sowie der "Neutral Nations Supervisory Commission (NNSC)" zur Überwachung des Waffenstillstandsabkommens.
Mit dieser Entsendung wurde vor 70 Jahren der Grundstein für den dritten Armeeauftrag gelegt, welcher heutzutage in der Bundesverfassung sowie im Militärgesetz verankert ist. Der 27. Juli 1953 markiert damit den offiziellen Beginn der militärischen Friedensförderung der Schweizer Armee.
Beteiligung an Missionen der UNO
Seither hat sich die militärische Friedensförderung stark weiterentwickelt. Zwar vergingen 36 Jahre, bis Schweizer Armeeangehörige in eine zweite Mission entsandt werden konnten, jedoch wurde damit ein weiterer Meilenstein gelegt: 1988 hatte der Bundesrat entschieden, die Schweizer Beteiligung an friedensfördernden Operationen der UNO auszubauen und sich neu nicht nur finanziell, sondern auch personell zu engagieren. Bereits ein Jahr später flogen Schweizer Soldatinnen und Soldaten im Rahmen einer Swiss Medical Unit nach Namibia mit dem Auftrag die medizinische Versorgung der Angehörigen der UNO-Mission UNTAG sicherzustellen. Die Mission hatte den Unabhängigkeitsprozess in Namibia zu überwachen, der am 21. März 1990 mit der Deklarierung der Unabhängigkeit erfolgreich abgeschlossen wurde. Damit endete auch die UNTAG und das Schweizer Kontingent kehrte nach Hause zurück. Insgesamt hatten sich 387 Schweizer Armeeangehörige, darunter 157 Frauen, an diesem Einsatz beteiligt.
In den folgenden Jahren engagierten sich unter anderem Offiziere der Schweizer Armee weltweit in weiteren UNO-Missionen. Heute stehen Militärbeobachterinnen und -beobachter beispielsweise im Nahen Osten, im Kaschmir – der Grenzregion von Pakistan und Indien – sowie in der Westsahara im Einsatz, oder sie beteiligen sich als Stabsoffiziere in internationalen Stäben von UNO-geführten Missionen auf dem afrikanischen Kontinent.
Einsätze auf dem Balkan
Seit 1996 nimmt die Schweiz an der Partnerschaft für den Frieden (PfP) der NATO teil und setzt dabei Schwerpunkte auf Themen, die durch ihre eigenen sicherheitspolitischen Interessen bestimmt werden. Die Beiträge zugunsten dieser Kooperation dienen unter anderem der Erhöhung der Sicherheit unseres Umfeldes und damit der Schweiz und verstärken die Interoperabilität der Schweizer Armee sowie ihrer Berufsmilitärs und Milizangehörigen. All dies gilt ebenfalls für die Beteiligung an der NATO-geführten KFOR mit dem SWISSCOY-Kontingent seit 1999, welche durch die Partnerschaft für den Frieden möglich ist. Zugunsten der KFOR erbringen Schweizer Soldatinnen und Soldaten hochwertige Leistungen, die zur Gewährleistung eines sicheren und stabilen Umfelds (Safe And Secure Environment, SASE) sowie zur Sicherstellung der Bewegungsfreiheit für alle Personen in Kosovo (Freedom of Movement, FOM) beitragen. Weiter sind bis zu 20 Armeeangehörige in der Mission ALTHEA der European Union Force (EUFOR) in Bosnien und Herzegowina seit 2004 in Form zweier Beobachtungsteams und von Stabsoffizieren sowie seit 2011 bis zu sechs Experten tätig, welche die bosnisch-herzegowinischen Streitkräfte im Bereich Munitions- und Waffenbewirtschaftung ausbilden. Die auf dem Balkan eingesetzten Armeeangehörigen erfüllen damit Aufträge, die einen direkten Einfluss auf die Sicherheitslage und die Stabilität in dieser Region haben.
Schweizer Fachexpertise im Einsatz
Das Engagement der Schweizer Armee in der militärischen Friedensförderung ist vielfältig: Nicht nur beteiligt sie sich an den zuvor erwähnten Einsätzen der NNSC in Korea, mit Offizieren an UNO-Missionen sowie mit der SWISSCOY und Angehörigen der EUFOR ALTHEA auf dem Balkan, sondern stellt weitere Spezialistinnen und Experten unterschiedlichster Bereiche. Bereits seit 1997 engagiert sich die Armee beispielsweise in der humanitären Minenräumung und entsendet weltweit Personal zugunsten des United Nations Mine Action Service (UNMAS). Im Jahr 2006 startete mit der Entsendung von Offizieren als Kursleiter die Unterstützung des Kofi Annan International Peacekeeping Training Center (KAIPTC) in Ghana. Weitere Einsätze in diesem Bereich des Kapazitäts- und Wissensaufbaus stellen die Beteiligungen an den Ausbildungszentren in Kenia (IPSTC) und in Mali (EMP-ABB) dar.
Sowohl das Arbeitsumfeld als auch die möglichen Einsatzfunktionen innerhalb der militärischen Friedensförderung sind vielfältig und bieten vielseitige Chancen. Einerseits kann im Auslandseinsatz sowohl das zivile als auch das militärische Fachwissen in einem internationalen Umfeld angewendet und auf die Probe gestellt werden. Anderseits bieten die Einsätze die Möglichkeit, einen abwechslungsreichen Berufsalltag zu erleben, fremde Kulturen kennen zu lernen und dabei die Werte der Schweiz zu vertreten.
Volatile Situationen in Einsatzgebieten
Rund 14'000 Schweizerinnen und Schweizer beteiligten sich in den vergangenen 70 Jahren freiwillig an Auslandseinsätzen der Armee. Tagtäglich stehen heutzutage rund 280 Frauen und Männer als Armeeangehörige im Einsatz und leisten mit ihrem Engagement einen Beitrag zum Frieden in von Kriegen und Konflikten geprägten Regionen. Wie volatil und brüchig Frieden sein kann, zeigen die jüngsten Ereignisse weltweit auf – wie zum Beispiel jene im Sudan, wo Armeeangehörige zugunsten der UNO-Minenräumung eingesetzt werden und die Situation aufgrund von Kämpfen zwischen den Regierungstruppen und einer paramilitärischen Gruppe vor einigen Wochen eskalierte. Doch auch Einsatzgebiete im näheren Umfeld der Schweiz gerieten zuletzt wieder vermehrt in den Fokus. Dies etwa in Kosovo, wo sich die Lage in den vergangenen Wochen wieder verschlechterte und verdeutlicht, warum die Mission – die KFOR – nach wie vor notwendig ist, um aus einzelnen Funken nicht wieder einen Flächenbrand entstehen zu lassen. Ebenfalls zeigen diese Geschehnisse einmal mehr auf, dass Frieden nicht für eine Selbstverständlichkeit gehalten werden sollte. Nach einem Konflikt Frieden zu schaffen, ist ein Unterfangen, dass Jahrzehnte dauert – diesen wieder zu zerstören und erneutes Leid zu verursachen, kann innerhalb kürzester Zeit geschehen.