Vor der Spitzensport-RS reist Flurina Rigling rasch an die Bahn-WM nach Paris
Flurina Rigling strahlt, als sie am ersten diesjährigen Rennabend im Tissot-Velodrome in Grenchen die 250-m-Holzbahn verlässt. In der 3-km-Einzelverfolgung ist der 26-jährigen Para-Sportlerin ein hervorragender Wettkampf gelungen. Die Zürcherin, die Ende Oktober in die Spitzensport-RS 2/2022 einrücken wird, reist deshalb zuversichtlich an die erste Paracycling-Bahn-WM, die vom 20. bis 24. Oktober in Paris stattfindet.
17.10.2022 | Kurt Henauer, Kommunikation Komp Zen Sport Armee
Erst 2019 hat sich die Politik- und Umwelt-Wissenschaftlerin erstmals mit dem Parasport auseinandergesetzt. Obwohl ihr seit Geburt vier Strahlen an den Händen und Füssen fehlen, war sie schon immer sehr polysportiv. So gelang ihr auch der Einstieg in den Parasport recht schnell. Sie nahm mit Plusport, der Fachstelle für Behindertensport in der Schweiz, Kontakt auf. Und bald führte sie der Paracycling-Nationaltrainer Dany Hirs in die Geheimnisse des Para-Radsports ein. Obwohl die aufgestellte «Säuliämtlerin» aus Hedingen ZH eine eingeschränkte Grifffähigkeit an Händen und Füssen hat, stellten sich die Erfolge rasch ein. Zuletzt im vergangenen Sommer mit zwei Weltcup-Siegen (Einzel-Zeitfahren und Strasse) in Québec, danach mit Silber und Bronze in diesen Disziplinen an den Paracycling-WM.
Erstmals Paracycling-Bahn-WM
Bei der WM-Hauptprobe in Grenchen hat Flurina Rigling ihre Bestzeit in der 3-km-Einzelverfolgung um sieben Sekunden verbessert. Was ist der Grund? «Ich hatte ein anderes Rad-Setting und war im Sog von Roger Bolliger», sagt sie bescheiden zu dieser «Mega-Zeit». Der Para-Velofahrer Roger Bolliger hat im Alltag eine ganze Beinprothese, fährt jedoch nur mit einem Bein. «Wir sind aber beide in derselben Behindertenklasse», so Rigling, die mit einem ETH-Trainingswissenschaftler der Reha-Klinik Bellikon zusammenarbeitet, der ihr unter anderem die Trainingspläne schreibt. Für das Tüfteln am Material, Velo und Schuhe, arbeitet sie mit der ETH Zürich zusammen. «Nun kann ich locker an die erste Bahn-WM gehen», sagt Flurina Rigling einen Tag nach ihrem starken Rennen und einem zusätzlichen Morgentraining auf der «schnellsten Bahn» Europas. «Einmal schauen», stapelt sie wohl etwas tief, auf die Frage, was ihre Erwartungen in Paris seien. Neben der Einzelverfolgung startet sie im 500-m-Zeitfahren – «da habe ich wegen meiner muskulären Einschränkung der Beine und der schlechten Greiffähigkeit einen Nachteil» − im Omnium und natürlich in der 3-km-Einzelverfolgung. Man darf gespannt sein, wie die künftige Spitzensport-Rekrutin in Paris abschneidet.
Eine einmalige Chance
Nur eine Woche nach den Bahn-WM in Paris rückt Flurina Rigling in Magglingen in die Spitzensport-RS 2/2022 ein. Wie stiess sie auf diese Fördermöglichkeit der Schweizer Armee? «Bei Handbiker Felix Frohofer und der Mountainbikerin Nicole Koller habe ich mich erkundigt», so Rigling. «Für mich ist das eine einmalige Chance, ein Privileg, dass ich mich so auf den Sport fokussieren kann», sagt die Naturliebhaberin, die gerne in der Bergwelt wandert, zur Erholung schwimmt oder zuhause im Garten arbeitet. «Ich freue mich auch auf den Austausch mit Athletinnen und Athleten von anderen Sportarten. Und wenn man die Wege der Spitzensport-RS-Absolventen verfolgt, zeigen die Resultate, dass es etwas bringt.»
«Relaxed»
Hat Flurina Rigling Respekt vor den 18 Wochen Spitzensport-RS mit dreiwöchiger militärischer Grundausbildung zu Beginn? «Ich bin relaxed, extrem offen und positiv für das, was da auf mich wartet. Ich will so viel aufnehmen, wie ich kann. Und ich bin mich ja gewohnt, mein Leben in die Hand zu nehmen.» Flurina Rigling ist eine lebensfrohe, junge Frau, eine Frau der Tat. Sie geht mit Freude ans Werk, ist eine Tüftlerin und hat im Parasport eine Erfüllung gefunden. Das unterstreichen auch zwei Sätze auf ihrer Website zum Parasport: «Ich kann hier unter Gleichgesinnten trainieren und meine Grenzen ausloten. Ich möchte zeigen, dass trotz Handicap Leistungssport auf hohem Niveau möglich ist − ich lasse mich durch meine Behinderung nicht behindern.»