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«Die NNSC trägt nach wie vor zur Deeskalation bei»

Sandra Stewart, Kommunikation SWISSINT, sprach mit Divisionär Ivo Burgener, Delegationschef der NNSC in Südkorea.

12.05.2023 | Sandra Stewart, Kommunikation SWISSINT

Divisionär Ivo Burgener leistete bereits 1999/2000 als Kommandant der SHQSU in Bosnien-Herzegowina sowie 2003/2004 als nationaler Kontingentskommandant der SWISSCOY in Kosovo friedensfördernde Einsätze.
Divisionär Ivo Burgener leistete bereits 1999/2000 als Kommandant der SHQSU in Bosnien-Herzegowina sowie 2003/2004 als nationaler Kontingentskommandant der SWISSCOY in Kosovo friedensfördernde Einsätze.

Herr Divisionär, Sie traten die Funktion als Schweizer Delegationschef der Neutral Nations Supervisory Commission (NNSC) mitten in einer erneuten Phase der erhöhten Spannung an. Wie ordnen Sie diese ein?

Das Jahr 2022 erwies sich auch auf der koreanischen Halbinsel als sicherheitspolitisch äusserst herausfordernd. Nordkorea feuerte im vergangenen Jahr mehr als 70 ballistische Raketen ab, davon acht Interkontinentalraketen, welche gemäss Experten auch die USA und Europa erreichen könnten. Ein weiterer Nukleartest scheint sehr wahrscheinlich zu sein. Mit der im Mai 2022 gewählten Regierung hat sich die Sicherheitskooperation Südkoreas mit Washington intensiviert und es wurden mehrere gemeinsame Übungen auf allen Stufen durchgeführt.

Der Norden hat seine Waffentests als Ausübung seines «unantastbaren Rechts auf Selbstverteidigung» gerechtfertigt und mit der «feindlichen und aggressiven Politik» der USA und ihren regelmässigen Übungen mit den südkoreanischen Streitkräften begründet. Die aggressive Atompolitik Nordkoreas wurde durch eine Gesetzesreform bestätigt, die dem Regime einen Präventivschlag im Falle einer Sicherheitsbedrohung ausdrücklich ermöglicht.

Als Reaktion darauf warnte das Verteidigungsministerium Südkoreas, dass jeder Versuch eines nuklearen Einsatzes zu Pyongyangs «Selbstzerstörung» führen würde. In ihrer im Oktober veröffentlichten Nuclear Posture Review halten die USA fest, dass jeder nukleare Angriff des Nordens gegen die USA oder ihre Verbündeten zum «Ende dieses Regimes» führen werde.

Neben der gemeinsamen Sicherheitsfront mit den USA als nukleare Schutzmacht präsentierte die südkoreanische Regierung unter Präsident Yoon auch eine Initiative, um dem wirtschaftlich schwachen Staat im Norden zu helfen. Die Initiative verspricht wirtschaftliche Hilfe als Gegenleistung zu konkreten, nordkoreanischen Denuklearisierungs-Schritten. Der Norden tat die Initiative als «Gipfel der Absurdität» ab.
Fazit: Es gibt aktuell keine positiven Anzeichen bei den Bemühungen um eine Wiederaufnahme der Gespräche zu einer nuklearwaffenfreien koreanischen Halbinsel und des innerkoreanischen Austauschs.


Wirkten sich die erhöhten Spannungen auf die Aufgaben der NNSC aus?

Wir können feststellen, dass die Anfragen von United Nations Command (UNC) und United Nations Command Military Armistice Commission (UNCMAC) an die NNSC zur Beobachtung von Übungen und Inspektionen zugenommen haben. Bis zum Ende des vergangenen Jahres sind mir jedoch keine schweren Verletzungen des Waffenstillstandsabkommens bekannt.

Erwähnenswert ist hingegen der Vorfall von Ende Dezember. Fünf mutmasslich nordkoreanische Drohnen überflogen die militärische Demarkationslinie. Mindestens eine der Drohnen flog bis in den nördlichen Teil von Seoul. Die NNSC wurde von der UNCMAC angefragt an der Abklärung dieses Zwischenfalls teilzunehmen. Das Resultat der Untersuchungen ist noch nicht bekannt. Unabhängig davon hat dieser Vorfall in Südkorea bis auf die höchste politische Stufe ein grosses Unbehagen hervorgerufen. Die Fähigkeit, sich vor Drohnenangriffen zu schützen, soll rasch und markant verbessert werden.

Die zunehmende Regelmässigkeit und Neuartigkeit solcher Vorfälle haben zwar einen neuen Gewaltausbruch zwischen Nord-und Südkorea nicht wahrscheinlicher gemacht, erhöhen jedoch das Risiko, dass eine Seite sich nicht nur provoziert, sondern direkt angegriffen fühlt. Die Arsenale, um dann rasch und massiv zuzuschlagen, stehen auf beiden Seiten bereit. In diesem Sinne wurde die Sicherheitslage in den vergangenen Monaten fragiler.

Welches ist die grösste zu bewältigende Herausforderung?

Wir müssen immer wieder die Balance finden zwischen dem formellen Mandat der NNSC und den neuen Aufgaben, die seitens UNCMAC an uns herangetragen werden. So beobachten wir Manöver der Südseite und beurteilen, ob sie offensiver oder defensiver Natur sind. Schwieriger ist es jedoch Aktivitäten zu bewerten, die der Süden als Antwort auf nordkoreanische Raketen- und Nuklearwaffentests, nach Cyberangriffen oder Drohnenaktivitäten ergreift. Diese Abwägung gibt Anlass zu intensiven Diskussionen im Rahmen des UNC/UNCMAC und damit auch der NNSC. Das Aufgabenspektrum der NNSC wurde über die Jahre hinweg immer breiter. Die Fülle dieser Aufgaben mit einem Team von fünf Offizieren bewältigen zu können, stellt eine weitere Herausforderung dar.


Wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit den internationalen Partnern und Streitkräften?

Nordkorea akzeptiert die NNSC seit 1991 nicht mehr, weshalb kein Kontakt besteht. Im Süden wird die NNSC von den militärischen Parteien als unparteiisch und unvoreingenommen wahrgenommen und die professionellen Beurteilungen werden respektiert. Unsere Partner sehen die Leistungen der Schweiz und Schwedens als wichtigen Beitrag zur Deeskalation.


Warum soll die Schweizer Armee das Engagement in der NNSC fortsetzen?

Das Waffenstillstandsabkommen ist nach wie vor in Kraft und wird von beiden Seiten mit wenigen Ausnahmen eingehalten, trotz aller anfangs erwähnten Spannungen und Zwischenfälle. Der einzige Grund, das Engagement zu beenden, wäre die Unterzeichnung eines Friedensabkommens auf der koreanischen Halbinsel.
 


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